Unbekannte Moderne
Von Claudia Elmer
Palastartige Gebäude mit verzierten Fassaden, opulenten Säulenhallen und Türmen: Die Architektur unter Stalin ist weitgehend erforscht. Bis heute prägen Prunkbauten im sogenannten „Zuckerbäckerstil“ das Bild vieler Städte der ehemaligen Sowjetunion. Von Russland über Armenien bis nach Litauen sind die gigantischen Kolosse zu finden.
Mit Stalins Tod im Jahr 1953 endete nicht nur seine Gewaltherrschaft über die Länder der ehemaligen UdSSR und Osteuropa, sondern auch der konstruktivistische Baustil. Die Moderne hielt in vielen Lebensbereichen Einzug – auch in der Architektur. Doch über die Bauweise, die in den Jahrzehnten nach Stalins Tod praktiziert wurde, weiß man noch wenig.
Im Fokus steht nicht Russland, sondern vier Regionen: das Baltikum, der Kaukasus, Zentralasien und Osteuropa. 14 Mitgliedsstaaten werden hinsichtlich ihrer architektonischen Besonderheiten untersucht: Armenien, Aserbaidschan, Estland, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Lettland, Litauen, Moldawien, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan und Weißrussland.
Ob Sprungturm, Kulturkomplex, oder Museum: All diesen Bauten wohnt der Charme der 1950er-Jahre inne. Einst markierten sie den Aufbruch in eine neue Ära und bis heute zeugen sie von der Vielfalt lokaler Stile und Formen.
Das Architekturzentrum Wien untersucht erstmals die Architektur nicht russischer Sowjetrepubliken, wie etwa die 1971 erbaute Gedenkstätte der Heldenfestung (links) in Brest in Weißrussland. Experten aus Ost und West haben untersucht, wie im Baltikum, im Kaukasus, in Zentralasien und in Osteuropa nach dem Tod Stalins bis zum Ende der UdSSR 1991 gebaut wurde. Die Ergebnisse sind bis 25. Februar 2013 im AzW ausgestellt. An einem Mittwoch pro Monat werden Führungen angeboten (12.12, 18.01, 08.02, 18 Uhr). Begleitend dazu ist auch eine Publikation erschienen, in der Fotografien, Analysen und Rückblicke gesammelt sind.