Wissen

Zwischen Zukunftsangst und Zeitmangel: Familien unter Druck

Erwachsen werden ist nicht einfach. Das Institut für Jugendkulturforschung hat nun erstmals österreichweit erhoben, welche Stressfaktoren Jugendliche in ihren Familien identifizieren. SOS-Kinderdorf gab die repräsentative Befragung von 400 Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren in Auftrag. Die Ergebnisse sind "alarmierend": „Jugendliche haben Zukunftsängste und zu wenig Zeit mit ihren Familien“, fasst Nora Deinhammer, Geschäftsführerin von SOS-Kinderdorf, zusammen: „Es braucht dringend Maßnahmen, um Familien zu entlasten.“

Alle Inhalte anzeigen

Schule, Ausbildung, Job sind größte Stressfaktoren

88 % der befragten Jugendlichen fühlen sich mit ihrer Familie unter Druck. Die größten Stressfaktoren sind Schule und Ausbildung oder der eigene Job. Dieser Stress ist kombiniert mit Zukunftsängsten: der Angst, es aus eigener Kraft einmal nicht zu schaffen, ein gutes Leben zu führen. 45,5 % haben Angst, im Leben nichts zu erreichen. Jedem und jeder zweiten wird der Schul- und Ausbildungsstress oft zu viel. Jugendliche stehen von allen Seiten unter Leistungsdruck.

Sehnsucht nach Stabilität

Kinder brauchen ein stabiles Umfeld, um gut aufzuwachsen. Die aktuelle Umfrage hat ergeben, dass sich auch Jugendliche nach mehr Stabilität und gemeinsamer Familienzeit sehnen. 55 % wünschen sich mehr gemeinsame Freizeitaktivitäten. Jeder und jede dritte Jugendliche fühlt sich belastet, weil die Familie zu wenig Zeit miteinander hat und fast 40 % der Jugendlichen finden, dass der Stress, den ihre Eltern durch die Arbeit mit nach Hause bringen, der Familie nicht gut tut.

Gefährliche Kombination

„Wir haben hier eine gefährliche Kombination: Leistungsdruck und Zukunftsängste von Jugendlichen steigen. Gleichzeitig fehlt in ihrem Umfeld die Zeit um Rückhalt zu geben und mit Stress umgehen zu lernen. Diese Faktoren verstärken sich gegenseitig und können gravierende Konsequenzen haben“, analysiert Deinhammer.

Drastische Auswirkungen

Stress und Druck haben drastische Auswirkungen auf die physische und psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Psychosomatische Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Schlafstörungen können ebenso auftreten wie Verhaltensstörungen. Diese reichen von schlechter Laune und aggressivem Verhalten über Unkonzentriertheit oder Nervosität bis hin zum sozialen Rückzug.

Familienfreundliche Rahmenbedingungen gefordert

Ein familienfreundliches Österreich muss gute Rahmenbedingungen für Kinder und ihre Bezugspersonen bieten. SOS-Kinderdorf fordert von der Wirtschaft, ihrerseits flexibler zu werden und sich den Bedürfnissen von Familien anzupassen. Die ständige berufliche Verfügbarkeit geht auf Kosten der Familienzeit. Es brauche Anreize, Arbeits- und Familienzeit unter den Eltern gleichmäßiger aufzuteilen. Sodass beide Elternteile gleich viel Zeit mit der Familie verbringen und sich gegenseitig entlasten können.

SOS-Kinderdorf wünscht sich mehr Urlaub für Eltern und Ganztagsschulen

„Ich wünsche mir mutigere, innovativere Ideen. Man könnte zum Beispiel darüber nachdenken, ob Familien mit minderjährigen Kindern eine Woche mehr Urlaub im Jahr bekommen sollten. Das wäre ein Signal. Das könnte helfen, die Betreuung in den Schulferien besser zu organisieren, aber auch über das Jahr verteilt ein bisschen mehr Spielraum zu haben“, sagt Deinhammer. Gleichzeitig muss Druck aus dem Schulsystem genommen werden. Die Ganztagsschule verschafft Kindern und Jugendlichen echte Freizeit nach der Schule und muss dringend für alle Kinder ermöglicht werden, damit alle die gleichen Zukunftschancen haben.