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Wo Teddys mehr als Spielzeug sind

Lindiwe war acht, als sie ihrer Lehrerin von Magenschmerzen und einem „wunden Herzen“ berichtete – und schließlich erzählte, dass ihr Stiefvater sie vergewaltigt. Die Lehrerin informiert die Mutter. Doch diese glaubt ihrer Tochter nicht, sagt, sie lüge – und schlägt sie.
Die Schule schaltet die „Operation Bobbi Bear“ ein – eine private Hilfsorganisation, die sich für den Schutz sexuell missbrauchter Kinder einsetzt. Einer speziell ausgebildeten Mitarbeiterin erzählt Lindiwe das ganze Ausmaß ihrer Misshandlungen. Die Aufzeichnungen führen zu einem Umdenken der Mutter – der Stiefvater kommt vor Gericht und wird verurteilt.
 

In der südafrikanischen Provinz Kwa-Zulu Natal an der Ostküste (größte Stadt ist Durban) wird jedes vierte Mädchen unter 16 vergewaltigt, erzählt Jackie Branfield, Gründerin von „Operation Bobbi Bear“ bei ihrem Wien-Besuch dem KURIER: „In den vergangenen acht Jahren ist die Zahl der gemeldeten Missbrauchsfälle um 400 Prozent gestiegen. Aber nur zwei Prozent enden mit einer Verurteilung des Täters – oft deshalb, weil die Angaben der eingeschüchterten, verängstigten Kinder zu ungenau sind und einfach abgetan werden.“

"Wir wollen in das Leben dieser Kinder wieder Schönheit bringen."


Rund die Hälfte der Erwachsenen zwischen 16 und 45 Jahren in dieser Region ist HIV-positiv: Zusätzlich zur körperlichen und seelischen Gewalt sind die Kinder dadurch auch noch dem Risiko einer Infektion mit dem Aids-Virus ausgesetzt.
„Anfang der 90er-Jahre hat mir ein geistig behindertes Mädchen von ihrer Vergewaltigung durch mehrere Männer erzählt“, sagt Branfield. „Doch niemand hat ihr geglaubt. Wir fanden niemanden beim Gericht, der in angemessener Weise mit dem Mädchen gesprochen hätte. Dieses Schicksal war für mich der Anlass, Operation Bobbi Bear zu gründen.“
 

Der Teddybär soll den Kindern helfen, die Geschichte ihres Missbrauchs genau zu erzählen: „Sie können auf dem Bär anzeichnen oder aufschreiben, wo ihnen Gewalt zugefügt wurde, was der Täter getan hat. Wir haben in unserer Provinz 15 Frauen zu Child Safety Officers ausgebildet. Sie sind bei der Befragung durch die Polizei dabei und verhindern, dass durch eine nicht kindgerechte Vorgangsweise das Kind neuerlich traumatisiert wird.“ Die Bären sind als Beweismittel vor Gericht zugelassen: „Bei den von uns betreuten Fällen ist der Prozentsatz der verurteilten Täter höher als im Landesschnitt.“

Schutz vor Infektion

Möglichst genaue Information über die Erlebnisse von missbrauchten Kindern ist aber nicht nur für einen Prozess wichtig: „Erhalten vergewaltigte Kinder allerspätestens innerhalb von 72 Stunden Anti-Virus-Medikamente, kann das Risiko einer HIV-Infektion um 80 Prozent gesenkt werden.“

Branfields Projekt wurde heuer mit dem von Swarovski gestifteten „Life Ball Crystal of Hope“ ausgezeichnet. „Ohne diese finanzielle Unterstützung hätte ich das Projekt beenden müssen.“ Operation Bobbi Bear macht mittlerweile auch Aufklärungsarbeit an Schulen: „Das Ausmaß der Gewalt gegen Kinder nimmt zu.“

„Wir leben in Südafrika mit Vergewaltigung und Tod“, sagte Branfield Montagabend in der Kunsthalle Wien bei einer Veranstaltung zum 20-Jahr-Jubiläum von AIDS LIFE: „Dabei vergessen wir, dass es auch Schönheit im Leben gibt. Wir wollen in das Leben dieser Kinder wieder Schönheit bringen.“

Hilfe für Bobbi Bear

Charity Punsch am Samstag Der Reinerlös dieser Veranstaltung am Welt-Aids-Tag, Samstag, 1.12., kommt dem Hilfsprojekt Operation Bobbi Bear zugute: Ab 16 Uhr gibt es im Motto am Fluss, Schwedenplatz 2 (Franz Josefs Kai / Vorkai, 1010 Wien) einen Charity Punsch anlässlich des 20-jährigen Bestehens von AIDS LIFE, dem Life-Ball-Trägerverein.

Build-A-Bear-Workshop Die Gäste können gegen eine Spende Teddybären selbst gestalten. Gleichzeitig werden die Charity-Bären von Prominenten ausgestellt.

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Der heurige Welt-Aids-Tag (1. 12.) ist ein besonderer: Vor 20 Jahren gründeten am 1. 12. Gery Keszler und Torgom Petrosian den Verein AIDS LIFE, um HIV-positiven und aidskranken Menschen zu helfen – mit finanziellen Mitteln für lebensnotwendige medizinische Versorgung und durch Enttabuisierung der Krankheit. Der erste Life Ball fand dann im Mai 1993 im Wiener Rathaus statt.

„Als AIDS LIFE vor zwanzig Jahren gegründet wurde, hätte ich mir niemals gedacht, dass das Motto für den Welt-Aids-Tag einmal – so wie heuer – ,Getting to Zero’ lauten wird. Denn damals gab es einfach noch keine Behandlung. Viele, die beim ersten Life Ball dabei waren, haben vielleicht auch noch den zweiten erlebt, aber irgendwann waren sie nicht mehr dabei“, sagt Keszler.

Der heurige 20. Life Ball erbrachte einen vorläufigen Rekord-Reingewinn von 2,1 Millionen Euro – Bobbi Bear ist nur eines von vielen nationalen und internationalen Hilfsprojekten, die damit unterstützt werden.