Warum die Zahl der Covid-Toten eigentlich deutlich höher ist
Der vergangene Allerheiligentag brach einen traurigen Rekord: Am 1. November 2021 überschritt die Zahl der weltweiten Pandemie-Todesopfer nach offiziellen Angaben die Fünf-Millionen-Marke.
Seitdem ist die Zahl auf 5,5 Millionen gestiegen - laut Wissenschaftern sind es dennoch deutlich mehr als bisher angenommen. Die Aufzeichnungen über die Übersterblichkeit - eine Kennzahl, bei der alle erfassten Todesfälle mit den erwarteten verglichen werden - zeigen, dass viel mehr Menschen an der Pandemie gestorben sind als offiziell angegeben wird. In einem aktuellen Artikel im Fachmagazin Nature wird gezeigt, warum es so schwierig ist, die tatsächliche Opferanzahl durch die Pandemie zu benennen.
Komplexe Aufgabe
Ein Grund ist, dass die offiziellen Daten vieler Länder häufig mangelhaft sind. Mehr als 100 Länder erheben überhaupt keine zuverlässigen Statistiken über erwartete oder tatsächliche Todesfälle oder veröffentlichen sie nicht rechtzeitig, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Ein Beispiel für unterschiedliche Ansätze zur Erfassung von Covid-19-Todesfällen waren zu Beginn der Pandemie die Niederlande. Das Land zählte nur diejenigen Personen, die nach einem positiven Coronatest im Krankenhaus starben. Im benachbarten Belgien wurden auch Todesfälle von Personen miteinbezogen, die nach Covid-19-Symptomen starben, auch wenn sie nicht offiziell diagnostiziert wurden.
Eines der bekanntesten globalen Schätzungsmodelle liefert das Londoner Magazin The Economist. Mit Hilfe von computerbasierten Berechnungen erstellte das Magazin eine Schätzung von zwölf bis 22 Millionen zusätzlichen Todesfällen. Das ist das Zwei- bis Vierfache der bisherigen offiziellen Zahl der Pandemieopfer.
Demographen, Datenwissenschafter und Gesundheitsexperten arbeiten daher laufend daran, eine genauere Zahl der weltweiten Todesfälle über mathematische Modelle und Schätzungen zu erheben. Dafür greifen sie auf ein komplexes – und teilweise überraschendes – Set an Tools zurück: Haus-zu-Haus-Befragungen, Computermodelle und nicht zuletzt: Satellitenbilder von Friedhöfen.
Deutlich höhere Zahl möglich
Die aktuell noch große Spannbreite von zehn Millionen Todesfällen in der Prognose, werde sich mit zunehmenden Daten stetig enger eingrenzen, sagt Sondre Ulvund Solstad, ein Datenwissenschaftler, der die Modellierungsarbeit von The Economist leitet gegenüber Nature: "Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nur fair, eine sehr große Spanne zu präsentieren."
Dass die Todesfälle der Pandemie aktuell weiter steigen, erschwert die Berechnung der weltweiten Zahl zudem stark. Daten müssen sehr schnell erfasst und mit komplexen statistischen Modellen kombiniert werden. Viele Zahlen sind daher noch vorläufig und nicht ganz exakt.