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Wie Österreich sich nach dem Krieg zum Urlaubsparadies stilisierte

1953 war ein entscheidendes Jahr. Ein Wendejahr. Die Lebensmittel-Rationierungen nach dem Krieg wurden aufgehoben, sogar Zigaretten waren wieder zu haben. Die Zonengrenzen im viergeteilten, besetzten Land fielen, und Reisen quer durch Österreich wurden plötzlich wieder möglich. „Das Niveau der Gästenächtigungen erreicht das Vorkriegsniveau. Ab da ging es mit dem Tourismus steil bergauf“, erzählt der Historiker Stefan Benedik.

Diese Entwicklung war kein Selbstläufer. Nach 1945 hatte das österreichische Handelsministerium begonnen, um ausländische Reisende zu werben. Der Krieg war eben erst Geschichte, die Besatzung noch im Land, das Österreich-Bewusstsein – nun nennen wir es beim Namen – schwach ausgebildet. Benedik: „Nur wenige Österreicher identifizierten sich mit der eigenen Nation, viele verstanden sich als Deutsche“. Wer also wollte man sein? Womit im Ausland werben? Was sollte als typisch österreichisch gelten? Der gute alte Wolfgang Amadeus Mozart oder doch der avantgardistische Gottfried von Einem? Die Frage wurde tatsächlich gestellt, der Ausgang ist klar.

Damals wie heute

Die Neo-Touristiker entschieden sich für die schöne Landschaft, kulturelle Leistungen, Kulinarik und Volkskultur. Benedik: „Das sind auch jene Punkte, die bis heute genannt werden, wenn man Leute fragt, was in Österreich sie stolz macht.“

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Dieser Zeit, in der sich Österreich als unabhängiges Land neu erfinden musste, widmet das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) ab 13. März eine neue Ausstellung – Holidays in Austria.

Holidays in Austria
Schnappschüsse eines Londoner Paares, das in den 1950ern Österreich bereiste, bieten einen  Blick von außen auf das neu gegründete Land, das sich als friedvolles und idyllisches Urlaubsziel inszenierte. „Holidays in Austria: Ein Urlaubsland erfindet sich neu“ zeichnet den Weg zum Urlaubsparadies nach (hdgö, 14. März 2024 bis 6. Jänner 2025, https://hdgoe.at/)

„Die Schau dokumentiert eine Zeit, in der man begann, sich als friedliches Urlaubsziel zu positionieren, um sich von der jüngsten Vergangenheit abzugrenzen und das Bewusstsein für den nun eigenständigen Nationalstaat zu stärken“, sagt hdgö-Direktorin Monika Sommer. „Man stellte sich als ideales, weil kostengünstiges Urlaubsland dar. Und sehr früh als Kulturland.“

Zentrale Objekte der Schau sind zwei Fotoalben eines britischen Paares, das die neue Trend-Destination Österreich entdeckte. Sommer: „Wir spüren der frühen Tourismusgeschichte nach und schauen uns an, was von den Werbebotschaften bei den ersten Reisenden angekommen ist. Joyce Ewens und Eric Hope machten sich im Sommer 1953 auf, ein Land zu entdecken, das gerade dabei war, sich neu zu erfinden. Vor dem Hintergrund der Anwesenheit der alliierten Mächte und der Staatsvertragsverhandlungen.“

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Selbst- und Fremdbild

Ein Blick in die Alben der jungverliebten Briten lehrt so einiges über Selbst- und Fremdbild der Österreicher: Donau, Dürnstein, der Dachstein, Wien, Linz und der Wörthersee – Eric und Joyce bereisten genau jene Orte, die die österreichischen Touristiker im Ausland als typisch österreichisch in den Fokus gerückt hatten. Angeblich waren die beiden sogar sechsmal in einer Woche in der Oper. Dabei schwelgen die Kuratoren der Ausstellung keineswegs in Nostalgie, sondern spüren anhand der Alben dem Werden eines Österreichbildes nach, das bis heute aktuell ist. Und so manchen Ferienort in den Overtourism geführt hat.

„Uns geht es darum, herauszuarbeiten, was als typisch österreichisch galt und gilt“, sagt Historiker Benedik. Und weiter: „Die transportierten Bilder haben eine lange Tradition und reichen bis in austrofaschistische und NS-Zeit zurück.“ Was all die Klischees und schönen Bilder einer vordergründig heilen Urlaubswelt aber gerne vergessen machen.

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Und das begann bereits 1953. „Wir befinden uns zeitlich unmittelbar nach der Befreiung von der NS-Herrschaft. Wenn man das Album anschaut, kommen die Kriegszerstörungen nicht vor. Eric hat sich bemüht, vom Stephansdom aus, die Stadt so zu fotografieren, dass nur Wiederaufgebautes zu sehen ist.“