Wissen/Wissenschaft

Über Darmbakterien: Sind soziale Ängste übertragbar?

Der Mensch ist ein soziales Wesen – die Gesellschaft anderer als angenehm zu erleben, ist wesentlich für sein Wohlbefinden. Menschen mit sozialen Ängsten meiden jedoch soziale Aktivitäten oder intensive Kontakte. Die soziale Phobie gehört weltweit zu den häufigsten psychischen Erkrankungen.

Neben unangenehmen Erfahrungen mit anderen Menschen oder anderen belastenden Lebensereignissen spielt bei der Entwicklung sozialer Ängste auch die Biologie eine Rolle. So deuten Forschungen darauf hin, dass Abweichungen im Serotonin- und Dopaminsystem des Gehirns sowie eine gesteigerte Aktivität in der Amygdala (Region, die an der Verarbeitung von Angst und Emotionen beteiligt ist, Anm.) zur Entstehung beitragen.

Ursachenforschung im Darm

In jüngster Zeit wird die sogenannte Darm-Hirn-Achse wissenschaftlich besonders intensiv beleuchtet. Über diese Achse sind Darm und Hirn verknüpft und kommunizieren mithilfe verschiedener Botenstoffe. Der Darm und die dort angesiedelten Mikroorganismen, das Darmmikrobiom also, sind demnach in der Lage, Stimmung, Kognition und  Stressreaktionen des Menschen mitzusteuern. Und weil der Kommunikationskanal wechselseitig verläuft, kann das Gehirn auch die Zusammensetzung des Darmmikrobioms beeinflussen.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat zudem gezeigt, dass sich die Zusammensetzung des Darmmikrobioms von Personen, die an einer sozialen Angststörung leiden, von der gesunder Personen unterscheidet. Bislang war jedoch unklar, ob diese Unterschiede durch die Störung verursacht werden oder ob sie gar ursächlich an der Entwicklung beteiligt sein könnten.

Um die Rolle des Darmmikrobioms bei sozialen Angststörungen besser zu verstehen, führte ein Team um den Biologen Nathaniel L. Ritz vom University College Cork nun eine Studie an 72 männlichen Mäusen durch. Dazu transplantierten sie Mäusen Bakterien und andere Mikroorganismen aus Stuhlproben von sechs Menschen, die an einer sozialen Angststörung litten, sowie von sechs gesunden Personen. Jede Maus erhielt Darmbakterien von einem zufällig ausgewählten menschlichen Teilnehmenden.

Mäuse zeigten sich tatsächlich ängstlicher

Bei Verhaltenstests an den Folgetagen zeigten Mäuse, die Darmbakterien von Teilnehmenden mit sozialer Angststörung erhielten, weniger soziale Interaktionen, also demnach mehr Anzeichen sozialer Angst. Weiters offenbarte sich, dass diese Mäuse einen verminderten Spiegel des Hormons Corticosteron aufwiesen. Corticosteron ist ein von der Nebennierenrinde produziertes Steroidhormon, das in erster Linie an der Regulierung von Stressreaktionen, des Energiestoffwechsels, der Immunreaktionen und des Elektrolythaushalts im Körper beteiligt ist. Die Mäuse wiesen auch niedrigere Oxytocin-Werte in bestimmten Hirnregionen auf. Auch diese Veränderungen stehen laut dem Forschungsteam wohl mit einem höheren Maß an sozialer Angst in Zusammenhang. 

"Zusammengenommen liefern unsere Ergebnisse neue Beweise dafür, (…) dass das Mikrobiom eine kausale Rolle bei erhöhten sozialen Angstreaktionen (…) spielen kann", summieren die Forschenden, die dafür plädieren, die Erkenntnisse zur Entwicklung neuer Therapien zu nutzen. Die Aussagekraft der Untersuchung ist aufgrund der kleinen Stichprobengröße begrenzt. Ob sich die Erkenntnisse auf den Menschen übertragen lassen, ist zum fraglich.

Die Studie wurden im Fachblatt Neuroscience veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden.