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Eltern appellieren an die Politik: Kinder vorrangig testen

Kaum hat die Schule begonnen, gibt es schon erste Corona-Fälle in den Klassen. Und auch in den Kindergärten sind Buben und Mädchen schon positiv getestet worden. Österreichweit wurden 455 Corona-Fälle gezählt. 372 davon betrafen laut Bildungsministerium Schüler, 58 Lehrkräfte und 25 Verwaltungsbedienstete. Dazu kommen noch rund 3.600 Verdachtsfälle.

Die meisten bestätigten Infektionen gab es in Wien, wo 198 Schüler, 15 Lehrer und 17 Verwaltungsangestellte positiv getestet wurden. Es folgen Oberösterreich (50 Schüler / 10  Lehrer/ 3 Verwaltungsbedienstete), Niederösterreich (41 /7 /3), Tirol (30 / 3 / 0), Vorarlberg (26 / 6/ 0), Salzburg (13 / 6 / 1), Steiermark (10 / 4/ 0) und das Burgenland (4 / 0/ 1). Als einziges Bundesland hat Kärnten bisher noch keinen positiv getesteten Schüler verzeichnet, dafür sieben Lehrer. In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland hat das Schuljahr eine Woche früher begonnen.

Unterdessen gibt es in Wien kaum mehr Schulen, die in den ersten beiden Schulwochen noch nicht mit Covid-19-Verdachtsfällen konfrontiert waren. In den vergangenen Tagen hatte es von Eltern-und Lehrerseite, aber auch von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) Kritik an der langen Wartezeit auf Tests bzw. deren Ergebnisse gegeben.

Eltern unzufrieden

Wie die Schulen und Behörden mit diesen Fällen umgehen, finden viele Eltern alles andere als befriedigend. Deshalb haben jetzt die Elternvereine des GRG Geblergasse, des Amerlinggymnasiums, der Volksschulen Kindermanngasse, Halirschgasse und der Knollgasse gemeinsam einen offenen Brief an die Minister Heinz Faßmann, Rudolf Anschober sowie an den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und den Gesundheitsstadtrat Peter Hacker geschrieben.

Tenor: "Schülerinnen und Schüler müssen prioritär getestet werden."

Wie der Alltag in den Klassenzimmern jetzt aussehen soll

  • Was bedeuten die Hygienemaßnahmen? Regelmäßiges Waschen und Desinfizieren der Hände, Abstand halten, regelmäßiges Lüften, Husten und Niesen in  die Armbeuge.
  • Wann muss man aufgrund eines Corona-Verdachts zu Hause bleiben? Bei Erkältungskrankheiten sollten Eltern den Gesundheitszustand des Kindes genau  beobachten – es im Zweifelsfall zu Hause zu lassen.
  • Dürfen Schüler Kontakt mit Schülern aus anderen Klassen haben? Das soll weitgehend vermieden werden: Schülergruppen sollen so konstant wie möglich im selben Verband bleiben. Das bedeutet, dass es in den Pausen zu keiner starken Durchmischung kommen soll – etwa indem zwei nebeneinanderliegende Klassen nicht gleichzeitig auf den Gang gehen. Im Pausenhof können Flächen für einzelne Klassen reserviert werden. Klassenübergreifende Gruppen sollen weitgehend vermieden werden, verboten sind sie aber nicht: Fächer wie Religion oder  Turnen können weiter geführt werden, sollten aber in   größeren Räume stattfinden. Schulen sind aufgerufen, sich Pausenkonzepte zu überlegen.
  • Was passiert bei einem Covid-19-Verdachtsfall an einer Schule? Die jeweilige Schule muss diesen bei der Gesundheitsbehörde anzeigen. Bis zu deren Entscheidung über das weitere Vorgehen wird der betroffene Schüler in einem getrennten Raum abgesondert und beaufsichtigt. Die Gesundheitsbehörde kann dann etwa entscheiden, den Schüler von den Eltern abholen und die ärztliche Abklärung daheim vornehmen zu lassen oder selbst zu einer weiteren Untersuchung anzurücken. Anhand von Kontaktlisten wird  auch über die Verhängung von Quarantänemaßnahmen für andere Schüler oder Lehrer entschieden. Bis zur Entscheidung der Gesundheitsbehörde wird der Unterricht fortgesetzt –  nach kräftigem Durchlüften und Handdesinfektion.
  • Sind Schulveranstaltungen wie Lehrausgänge oder Sportwochen oder Skikurse erlaubt? Nach derzeitigem Stand grundsätzlich schon. Allerdings wird den Schulen empfohlen, etwa bei der Planung von Skikursen günstige Stornomöglichkeiten bzw. Umbuchungen zu vereinbaren. Die Schulleiter sollen auch eine Risikoanalyse erstellen. Außerdem werden ab der Ampelfarbe Orange Schulveranstaltungen untersagt.

 

 

 

 

Mehrere Verdachtsfälle an unterschiedlichen Schulen hätten bereits innerhalb der ersten beiden Schulwochen gezeigt, dass das System der Testungen deutlich beschleunigt werden müsse und dass eine Priorisierung von Schulen und SchülerInnen im gesamten Corona-Maßnahmenkatalog erfolgen sollte.

Weiters heißt es: "Wir fordern, dass Schule auch in diesem besonderen Jahr stattfinden kann. Wir appellieren an Sie, Ihre politische Funktion zu nutzen und eine Fast Lane für Schülerinnen und Schüler einzurichten. Verdachtsfälle müssen bei der Covid-19-Testung und der Kommunikation der Befunde priorisiert werden."

Rasch das Virus aushungern

Begründung: Je effektiver das Contact Tracing und die Identifizierung von Kleinclustern über die Kinder in die Familien erfolgt, umso rascher kann das Virus ausgehungert werden. Was die Eltern stört: "Während etwa Tests für von Verdachtsfällen betroffene Betriebe zeitnah und flächendeckend für alle Mitarbeiter und Betroffenen möglich sind (siehe spontan eingerichtete Teststraße in Wiener Neustadt für mehr als 600 Kunden eines Fitnesscenters), warten als Verdachtsfälle eingestufte Schüler mitunter bis zu einer Woche auf die Testung, eine weitere Woche auf das Testergebnis."

Ein ungeklärter Verdachtsfall in nur einer Klasse führe zu einem ungeklärten Status von rund 25 Familien und den in dieser Klasse unterrichtenden Lehrerpersonen –  in Summe können das 100 Betroffene und mehr sein.

Dieser Verdachtsfall beeinflusse nicht nur die Klasse, sondern über ausfallendes Lehrpersonal den kompletten Schulbetrieb. Kinder, die aufgrund von Verdachtsfällen in ihrer Klasse zu Hause in Quarantäne bleiben müssen, werden wiederum von den Eltern betreut und im Homeschooling unterstützt – "nicht für alle Familien ist das nach mittlerweile sechs Monaten der Kinderbetreuung ein gangbarer Weg und nicht alle Arbeitgeber ermöglichen eine solche Freistellung", heißt es in dem Brief weiter.

"Zudem bedeutet jeder nicht in der Schule verbrachte Tag für die Schülerinnen und Schüler ein immer größer werdendes Defizit auf ihrem Bildungsweg – trotz des enormen persönlichen Einsatzes der Lehrerschaft."

"Abhilfe schaffen wäre so leicht"

Vorschlag der Eltern: "Mit wenigen Maßnahmen und im Vergleich zu den Wirtschaftsförderungen verschwindend geringen Kosten könnte hier rasch Abhilfe einer untragbaren Situation geschaffen werden. Wir fordern daher mit Nachdruck schnelle Maßnahmen, um einen gesunden und aufrechten Schulbetrieb möglich zu machen. Schule muss sehr wohl als Wirtschaftsfaktor gesehen werden und auch als solcher prioritär behandelt werden."

Die Eltern fordern Soforttestungen zur Abklärung ihres Status innerhalb von 24 Stunden ab Verdachtsfall – sei das durch eigens eingerichtete Teststraßen für Schulen oder durch Schnelltests (wie sie etwa derzeit vor den Universitäten durchgeführt werden).

Zudem brauche es klare, unmissverständliche Information des Gesundheits- und Bildungsministeriums an alle Schulen, Eltern und Lehrerkräfte, wie sie sich in einem Verdachtsfall oder einem bestätigten Fall in Ihrem Umfeld oder in der Schule zu verhalten haben. Es ist untragbar, dass bei Verdachtsfällen Klassen tage- oder teils wochenlang in einem ungewissen Schwebezustand belassen werden.

Eltern in Not

Weitere Forderung: "Eine rechtliche Verankerung einer Covid-Freistellung zur Betreuung von Kindern in Quarantäne bzw. Isolation." Die derzeitige, bereits sehr angespannte Situation erlaube kein weiteres Zuwarten.

Minister reagiert

Faßmann will jetzt in Zusammenarbeit mit Schulärzten ein eigenes Pilotprojekt in der Bundeshauptstadt starten, wie mehrere Medien berichten. Mobile Teams sollen an den Schulen Verdachtsfälle bzw. unmittelbare Kontaktpersonen anhand der Gurgelwasser-Methode testen. Dabei wird kein Nasen-Rachen-Abstrich gemacht, sondern eine knappe Minute gegurgelt. Ergebnisse sollen - je nach Uhrzeit - noch am selben Tag oder am Tag darauf vorliegen.

Davon unabhängig soll Ende September das vom Ministerium zum Schulstart angekündigte regelmäßige Monitoring mittels Gurgelwasser-Tests starten. Alle drei bis vier Wochen werden dabei 15.000 Schüler und 1.200 Lehrer zum Gurgeln antreten. So will man - unabhängig von "akuten" Fällen - einen Überblick über die Infektionslage erhalten.