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„Wir brauchen Gesetz für Stammzellenforschung“

Ethisch ist die gelungene Klonierung eines menschlichen Embryos umstritten. Die US-amerikanische Bischofskonferenz vermeldete „tiefe Beunruhigung“. Einerseits wird befürchtet, dass die Methode missbraucht werde, um geklonte Babys zu erzeugen. Andererseits würden dafür Embryonen zerstört und Eizellenspenderinnen einer gesundheitsgefährdenden Prozedur unterzogen.

In Österreich meldete sich die „aktion leben“ zu Wort. Sie fordert die österreichische Regierung auf, jede Form des Klonens ausdrücklich zu verbieten. „Für das Klonen von Menschen bestehen in Österreich derzeit keine eindeutigen Regelungen“, sagte Martina Kronthaler, Generalsekretärin der „aktion leben“ Österreich.

Ulrich Körtner, Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin sowie Mitglied der österreichischen Bioethikkommission sagt dazu: „Das sind Experimente im Rahmen von Grundlagenforschung und ethisch vertretbar. Voraussetzung ist, dass die Methode auf keinen Fall eingesetzt werden darf, um Kinder zu erzeugen.“ Obwohl manche in Österreich der Meinung gewesen seien, diese Form der Stammzellengewinnung wäre längst obsolet, habe er stets darauf hingewiesen, dass es hier einen Forschungswettlauf gibt. Andere Bereiche – wie etwa das therapeutische Klonen – seien davon nicht ausgeschlossen: „Wir sind Zeitzeugen dieses Wettlaufs.“

Fehlende Regelung

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Natürlich sei man weit davon entfernt, in der medizinischen Praxis damit zu arbeiten. Als Experte für Recht in der Medizin kritisiert er aber, dass es in Österreich keine klare Regelung und Gesetze für diesen Bereich gibt. In Österreich ist es verboten, Embryos herzustellen und zu Forschungszwecken zu zerstören – also auch die Erzeugung embryonaler Stammzellen. Geregelt wird dies im Rahmen des Fortpflanzungsmedizingesetzes. „Der Import von embryonalen Stammzellen-Linien ist erlaubt, aber gesetzlich nirgendwo geregelt. Die Regierung hat es nicht geschafft, ein Stammzellenforschungsgesetz zusammenzubringen, das Import, Herstellung und Beforschung embryonaler Stammzellen regelt. Wir mogeln uns um das Thema herum.“ Das sei unbefriedigend, auch weil aus Körtners Sicht damit die Forschung in Österreich blockiert werde: „Da können wir nur zuschauen.“

Forscher haben einen menschlichen Embryo geklont. Das ist schon eine kleine wissenschaftliche Sensation, die US-amerikanischen Wissenschaftlern jetzt gelungen ist. In einem Labor wurde der Zellkern einer Hautzelle in eine entkernte Eizelle eingesetzt. Die Hautzelle hat sich darauf bis zu einem Embryo im Frühstadium entwickelt (siehe Grafik).

Menschliche Zellen klonen? Eine gespenstische Vorstellung. Das klingt doch sehr nach Frankenstein, der künstlich einen Menschen erschaffen hat. Die Wissenschaftler von der Oregon Health and Science University betonen deshalb auch, dass es ihnen bei ihrer Forschung nur um eines geht: „Wege zu eröffnen, um Stammzellen für Patienten mit dysfunktionellem oder zerstörtem Gewebe oder Organen herzustellen.“ Das sagt der wissenschaftliche Leiter Shoukat Mitalipov, der seine Forschung im Fachmagazin Cell veröffentlichte. Shoukat hofft also, Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer, Multiple Sklerose, Herzerkrankungen, Diabetes oder Arthritis heilen zu können – eines Tages.

Herzmuskel

Wie das in der Praxis aussehen könnte? Der Genetiker Markus Hengstschläger entwirft dazu ein Szenario: „Stellen Sie sich vor“, sagt er, „ich hätte einen Herzinfarkt gehabt und bräuchte dringend Herzmuskelzellen für die Therapie. Jetzt nimmt man eine meiner Hautzellen, entnimmt den Zellkern und gibt ihn in eine Eizelle. Aus ihr entsteht ein Embryo, der genetisch mit mir ident ist. Wenn der Embryo drei, vier, fünf Tage alt und mit freiem Auge noch nicht sichtbar ist, wird er zerstört, die Stammzellen werden entnommen und aus ihnen macht man Herzmuskel-Zellen für meine Therapie. Die würde ich nicht abstoßen, weil sie genetisch mit mir ident sind.“

Das Verfahren sei bereits bei allen möglichen Tieren gelungen, aber bisher noch nie bei einem Menschen. Für den Stammzellenforscher Meinrad Busslinger vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien liegt hier der Verdienst der US-Forscher: „Bei Fröschen hat man solche Klone schon in den 1950er-Jahren geschaffen. Später auch bei Mäusen und anderen Säugetieren. Nur bei Affen und Menschen schien das bisher unmöglich. Die geklonten Zellen waren viel zu instabil.“

Keine Therapie

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Auch der Genetiker Hengstschläger zollt seinen amerikanischen Kollegen Respekt: „Das ist schon was, denn man hat tatsächlich die verschiedensten Stammzellen hergestellt – Haut-, Muskel-, Nervenzellen etc. Als Therapie wurde es allerdings noch nicht eingesetzt. Und ich bin auch nicht sehr zuversichtlich.“ Warum, Prof. Hengstschläger? „Die embryonalen Stammzellen bergen einige Probleme. Sie können zum Beispiel auch Krebs auslösen. Es gibt folglich erst einige wenige, zaghafte Versuche von Therapie mit Stammzellen. Das wird noch dauern. Bis es tatsächlich eine Therapie gibt, wird wohl noch ein Jahrzehnt vergehen“, schätzt er.

Nobelpreis

Außerdem gebe es gute Alternativen, die ohne den ethisch umstrittenen Weg über einen Embryo, der zerstört werden muss, gehen: Zum Beispiel die Forschungen von Shinya Yamanaka von der Kyoto University, der ausgereifte Zellen so umprogrammiert hat, dass sie wieder die Eigenschaften einer Stammzelle besitzen. Für die Entwicklung der sogenannten iPS-Zellen erhielt Yamanaka 2012 den Nobelpreis. Hengstschläger selbst konnte bereits Stammzellen aus Fruchtwasser gewinnen.

Auch Meinrad Bussinger glaubt, dass die iPS-Zellen für therapeutische Zwecke durchaus reichen. Sie hätten den großen Vorteil, dass dafür keine gesunden Eizellen verwendet werden müssen.

Forschung, wie sie die US-Wissenschaftler betreiben, wäre bei uns übrigens nicht möglich: „In Österreich ist es grundsätzlich verboten, einen Embryo für Forschung zu verbrauchen“, sagt Hengstschläger. Sehr wohl erlaubt ist es aber, embryonale Stammzellen zu importieren und mit ihnen zu forschen, „was einige österreichische Labore auch machen“, sagt der Genetiker. Beim IMP würde aber nicht mit Embryonen geforscht, sagt Busslinger. Wer es doch tun will, geht ins Ausland und forscht dort.