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Wie man richtig streitet und wann eine Beziehung am Ende ist

In ihrer Talk-Show war sie schon Vermittlerin von sich zankenden Fernsehgästen, heute betreut Birte Karalus Parteien und Unternehmen in ganz Europa, um Konflikte aufzuarbeiten. „Lasst uns streiten“ (Ariston Verlag, 22,70 Euro) ist das neue Buch der Mediatorin. 

Darin zeigt Karalus auf, wie rau der Umgang in Politik und Öffentlichkeit geworden ist und plädiert dafür, Streit als positive Kraft zu sehen, der Dinge bewegen kann. Vorausgesetzt, man hält sich an bestimmte Regeln und will eine gemeinsame Lösung finden. Mit dem KURIER hat sie über Donald Trump, Wahlkämpfe und Tipps gesprochen, wie guter Streit funktioniert.

KURIER: Warum ist ein Mann wie Donald Trump so erfolgreich, der den Streit unter der Gürtellinie zu suchen scheint?
Birte Karalus: Donald Trump ist ein Rüpel, der ganz bewusst im Konflikt verharrt. Er bemüht sich um Streit, ohne ihn lösen zu wollen. Es sind aber die Menschen, die ihn zum US-Präsidenten wählen. Es liegt an uns, sich zu entscheiden, welche Art von Miteinander wir wollen. Es hat einen Klimawandel im menschlichen Miteinander gegeben, für den Trump nicht unwesentlich war. Auf der anderen Seite gab es nach seinem Sieg 2016 aber auch viele Leute, die schockiert waren und ihre Kinder in den USA in Benimmkurse geschickt haben.

In Ihrem Buch sagen Sie, das menschliche Miteinander ist rauer geworden. Wie ist das passiert?
Es ist etwas paradox. Menschen wollen Frieden und ein gutes Miteinander, sie wollen aber gleichzeitig auch mehr als der andere haben und Sieger sein. Wenn es uns gut geht, gelingt das Zusammenleben in Harmonie besser. Wenn es Krisen gibt, wird es allerdings sehr viel schwerer. Und die haben wir in letzter Zeit.

Warum entzweit dabei gerade die Politik so sehr?
Eine Partei ist wie ein Stamm, dem man sich zugehörig fühlt. Wenn es Krisen gibt, hält man oft noch mehr an seinem Stamm fest. Zugehörigkeit ist dann wichtiger als Vernunft. Was durchaus fatal sein kann. 

Auch Harvard-Studien belegen das: Viele lassen lieber die Welt untergehen, bevor sie den Stamm verlassen. Dann höre ich auch nicht mehr auf das, was jemand anderer sagt. Für Argumente der Gegenseite wird man taub. Aber man hört auch das nicht mehr, was der Politiker seiner eigenen Partei sagt. Leider wählt man heute immer öfter eine Person und keine Inhalte. Man wählt also nicht jemanden für das, was er sagt, sondern wer er ist. Eine Gefahr.

Sie warnen vor Parteien, die keine konkreten Lösungen bieten. Was macht sie so gefährlich?
Man sollte auf keinen Fall aus Wut oder Rache eine Partei wählen, um es denen da oben zu zeigen. Das hat man schon beim Brexit gesehen. Ich war damals in England als Beraterin tätig. Dort haben die Briten aus Wut für den Ausstieg gestimmt. Aber es ging dabei nicht um die EU. Es war ein persönlicher Frust, sie waren unzufrieden, und das sollten die Politiker wissen. Jetzt sehen sie, dass die gewünschten Erwartungen nicht eingetreten sind und England gar nicht so viel besser funktioniert ohne die EU. Aber der Zug war damals abgefahren, vom Taxifahrer bis zur Verkäuferin, alle wollten es denen da oben zeigen.

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Wie kann man richtig streiten?
Schuldzuweisungen sollte man sein lassen, sie tragen nichts zu einer Lösung des Konflikts bei und vergeuden Zeit. Die goldene Regel lautet Freundlichkeit. Das hat nichts mit gespielter Höflichkeit zu tun. Aber es darf nicht untergriffig werden oder persönlich. Zwischen Sache und Person muss getrennt werden und das ist nicht immer einfach. Keiner darf verletzen. Aus Kränkungen kann viel Negatives entstehen. Viele Despoten haben früher Kränkung erfahren. 

Und dann muss man dem anderen tatsächlich auch zuhören. Der Konflikt dreht sich oft um einen selbst, weil ich vielleicht einen schlechten Tag hatte und dann etwas in den falschen Hals bekomme. Es ist schon viel getan, wenn das Problem als solches erkannt wird. Wenn dann beide noch eine Lösung finden wollen, ist Streit eine sehr positive Kraft. 

Lohnt sich der Streit mit Verschwörungstheoretikern?
In der Sache wird es schwer, hier eine konstruktive Auseinandersetzung in Gang zu bringen. Ist der Mensch Ihnen aber wichtig, gehen Sie mit hoher Empathie daran und versuchen zu verstehen, dass hinter diesen Theorien Angst steckt. Angst, dass man die Welt nicht mehr versteht und die Kontrolle über das eigene Leben verloren geht. 
 
So strickt man sich seine Erklärungen zusammen, die für einen selbst Sinn machen. Viele halten es einfach nicht aus, wenn es bei Problemen wie der Covid-Epidemie keine Eindeutigkeiten gibt. Das verunsichert immens. Man muss nicht einer Meinung sein, aber man kann trotzdem bei dem Menschen bleiben.

Wann ist es legitim zu sagen: den Streit lösen wir nicht, wir beenden die Beziehung?
Jeder hat das Recht eine Beziehung zu beenden. Egal ob mit dem Partner, der Familie oder Freunden. Wenn der Konflikt zu hart wird, sollte man offen sagen, dass man eine Auszeit benötigt, dass einen etwas kränkt. Die Tür muss dabei nicht ganz zugeschlagen werden, sie kann angelehnt bleiben.

Es geht immer auch um die Frage, wie wichtig mir die Person ist. Wenn Leute das Drama brauchen und ständig verletzen, ist es nur legitim, die Sache zu beenden. Wenn aber beide Parteien zusammen weitermachen wollen und fair bleiben, dann schweißt einen jeder ausgestandene Konflikt sehr zusammen. 

Weitere Tipps für besseres Streiten: 

Zuhören: Es ist anstrengend und nichts für Egogetriebenes - aber erst wer sich alle Argumente angehört hat, sollte urteilen. 

Souverän bleiben: Ist es wirklich ein gutes Gefühl, wenn die Pferde mit einem durchgegangen sind? Meist macht die Wut der Scham Platz. Souverän zu bleiben, gibt ein gutes Gefühl, Herumschreien nicht. Besonnenheit ist Stärke, Zurückbrüllen ist Schwäche.

Selbstreflexion: Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern als ihr treu zu bleiben. 

Versöhnlichkeit: Es braucht meist Zeit, um die Hand auszustrecken und zu signalisieren, dass man gemeinsam weitermachen will. Wenn es gelingt, ist es eine Befreiung.