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"Wie in einem Hamsterrad"

"Es sind hoch motivierte Leute, die zu uns kommen", erzählt Prim. Andreas Winkler, ärztlicher Leiter der Klinik Pirawarth, NÖ: Selbstständige, die von Auftrag zu Auftrag laufen und es nicht mehr schaffen; engagierte Lehrer, die keinerlei soziale Anerkennung bekommen; oder Angestellte, die steigenden Druck von oben und unten bekommen und nie Lob erhalten."

Die Klinik Pirawarth bietet spezielle Programme für Prävention und Therapie von Burn-out-Erkrankungen an. Der Bedarf nach solchen Angebote wird immer größer: "Bemerkenswert ist der klare Aufwärtstrend der psychischen und Verhaltensstörungen", heißt es im neuen "Fehlzeitenreport" des Wirtschaftsforschungsinstituts: "Seit Mitte der 1990er-Jahre hat sich die Zahl der Krankenstandstage infolge psychischer Erkrankungen fast verdreifacht." (siehe Grafik)

"Einerseits steigen die Anforderungen in der Arbeit, gleichzeitig nimmt die Unsicherheit zu", so Winkler. Besonders Menschen, die sich stark über ihre Leistung definieren, seien gefährdet: "Wenn der Arbeitsdruck zunimmt und zusätzlich gleichzeitig die Anerkennung ausbleibt, fühlt man sich rasch wie in einem Hamsterrad."

Leben im Krisenmodus

"Das Leben für andere, für bestimmte Ziele, lässt auf eigene Wünsche und Bedürfnisse vergessen, diese werden immer hintangestellt, bis der Betroffene sie gar nicht mehr kennt", sagt Regina Hochmair, auf psychosomatische Medizin spezialisierte Allgemeinmedizinerin in der Klinik Pirawarth. Winkler: "Die Menschen haben verlernt, Nein zu sagen. Andererseits wird das angesichts der wirtschaftlichen Situation immer schwieriger."

Der Facharzt für Neurologie sieht noch einen weiteren Faktor: "Wir reden ständig nur mehr von Krisen: Wirtschaftskrise, Hypo-Krise, Krisenländer – das wird von vielen als sehr bedrohlich empfunden, auch wenn sie nicht direkt selbst betroffen sind." Menschen würden zunehmend in einem "Krisenmodus" leben – die Folge sei ein Anstieg von Angsterkrankungen. "Burn-out ist ein Prozess, der über Jahre geht und in einer schweren Depression enden kann", sagt Winkler. "Je früher man professionelle Hilfe sucht, umso leichter ist es."

Es gibt aber auch erste positive Entwicklungen: Zwar sind psychiatrische Krankheiten sowohl bei Angestellten (46,2 %) als auch Arbeitern (33,4 %) der häufigste Grund für eine Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätspension. "Insgesamt gibt es aber einen ersten leichten Rückgang bei den Pensionsneuzugängen aufgrund psychiatrischer Erkrankungen", heißt es bei der Pensionsversicherungsanstalt: Dies habe mit verbesserten Angeboten im Bereich der psychiatrischen Reha zu tun.

Die AK forderte Donnerstag mehr Angebote in betrieblicher Gesundheitsförderung und mehr altersgerechte Arbeitsplätze. Die Psychotherapeutin und grüne Gesundheitssprecherin Eva Mückstein kritisierte, dass es im Bereich der Behandlung von Burn-out gravierende Versorgungsmängel gebe.

Bevor Mitarbeiter sich an den Frühstückstisch setzen, gilt ihr erster Blick oft schon ihrem Smartphone. Es könnte ja sein, dass der Chef ein eMail geschickt hat. Dieses Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, haben immer mehr Menschen.
Anders ist das bei BMW in Deutschland. Dort gibt es jetzt ein Recht auf Unerreichbarkeit nach Feierabend. Das heißt nicht, dass das Handy immer aus sein muss. Die Mitarbeiter können individuell Zeiten festlegen, in denen sie „online“ sind. Wer nach Dienstschluss noch via Internet arbeitet, bekommt dafür „Gutzeit“ und kann irgendwann früher nach Hause gehen.


Solche Vereinbarungen sind in Österreich nicht bekannt. Bei der Arbeiterkammer verweist Günter Köstelbauer auf rechtliche Regelungen wie das Urlaubs- und Arbeitsruhegesetz. „Wer von Mitarbeitern verlangt, dass sie in den Ferien oder nach Dienstschluss erreichbar sind, der führt die Gesetze ad absurdum. Diese Zeiten sind zur Regeneration da.“


Bei der Wirtschaftskammer argumentiert man, dass das Smartphone durchaus auch eine Erleichterung für den Arbeitnehmer sein kann. Rolf Gleißner meint etwa, „dass ich doch wissen will, was nach dem Wochenende auf mich zukommt. Deshalb lese ich meine eMails.“ Sicher sei es für die Psyche nicht gut, wenn man dauernd sein Handy aufgedreht hat. Aber: „Es liegt nicht nur am Dienstgeber, wenn Menschen dauernd online sind. Viele schaffen es nicht, abzuschalten und das Handy abzudrehen.“