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Warum Sie bei "Dr. Google" aufpassen müssen

Gesundheitlicher Rat aus dem Internet kann stark verunsichern und einen kränker fühlen lassen als man ist: Etwa, wenn man zum Thema Kopfschmerz recherchiert und plötzlich auf Seiten über Hirntumore landet.

Doch es gibt auch den umgekehrten Fall: Nach einer ärztlichen Diagnose, die von den Betroffenen als Bedrohung empfunden wird, googeln viele Menschen einseitig positive Informationen – und blenden negative weitgehend aus, zeigt eine neue Studie. Und dies besonders dann, wenn das Gespräch mit dem Arzt als zu kurz oder oberflächlich empfunden wurde. "Um das Gefühl der Bedrohung zu reduzieren, wählen Patienten bei der Informationssuche im Internet mehr positive Links aus und erinnern sich öfter an positive Informationen aus gelesenen Texten", sagt der Psychologe Kai Sassenberg vom Leibniz-Wissenschaftscampus Tübingen.

Erkrankte würde sich so unter Umständen gesünder fühlen als sie tatsächlich sind, weil sie potenziell negative Verläufe ihrer Erkrankung übersehen.

Ärzte googlen selber

Wie stark die Web-Recherche bereits verbreitet ist, zeigt eine neue Integral-Umfrage unter rund 150 niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Fachärzten in ganz Österreich. Demnach kommt bereits jeder vierte Patient mit selbst im Internet recherchierten Informationen in die Praxis (siehe Grafik).

Zwei Drittel der Ärzte finden es grundsätzlich positiv, wenn sich Patienten einbringen. Die Meinung zu den selbst recherchierten Infos ist allerdings geteilt: Immerhin 40 Prozent der Ärzte äußern sich dazu eher negativ, weil "die meisten Informationen Humbug" sind. Gleichzeitig verwendet aber bereits knapp jeder zweite Arzt das Internet fallweise während des Gesprächs mit dem Patienten als Recherchequelle.

Mehr einbringen

"Der Patient der Zukunft ist einer, der sich verstärkt einbringen will", sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger zum Ergebnis dieser Studie. Ärzte seien dafür durchaus offen – "wenn die Patienten ein gewisses Grundverständnis für ihre Krankheit haben und mit qualifizierten Fragen und Anliegen kommen". Ein Problem hingegen sei, "wenn Patienten unreflektiert im Internet recherchieren und dann mit Erwartungen in die Praxis kommen, die nicht erfüllbar sind". Positiv sei auch, dass mittlerweile die meisten Ärzte dem Einholen von Zweitmeinungen positiv gegenüberstehen.

"Eines der spannendsten Ergebnisse war, dass aus Sicht der Ärzte die Arzt-Patientenbeziehung maßgeblich zum Heilerfolg beiträgt", sagt Janssen-Geschäftsführer Erich Eibensteiner, der die Studie in Auftrag gegeben hat. Neun von zehn Ärzten vertreten diese Ansicht. Spontan verbinden Ärzte mit dem Thema Arzt-Patientenbeziehung nicht in erster Linie medizinische Aspekte, sondern Beziehungsarbeit (46 Prozent) und Kommunikation. Mit einer Diskussionsplattform ("Janssen-Forum") soll künftig dieses Thema stärker beleuchtet werden.

Sehen Sie hier eine Infografik zu der Ärzte-Umfrage:

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Ungeduldige Patienten, wenig Einsicht in die Therapievorschläge, falsche Erwartungshaltungen: Man könnte glauben, dass dies die größte Belastung für Mediziner ist. Falsch: Die größte Herausforderung ist, unter den heutigen Rahmenbedingungen den hohen persönlichen Anforderungen gerecht zu werden – etwa ausreichend Zeit für verständliche Erklärungen zu haben und dabei keine Fehler zu machen und nichts zu übersehen. Das ist ein weiteres zentrales Ergebnis der Umfrage unter 150 Ärzten.

„Die Umfrage zeigt, dass die Mediziner sehr hohe Ansprüche an sich selbst stellen, sie diese aber in der vorherrschenden Struktur der Einzelordinationen nicht mehr erfüllen können“, sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger. Gerade die von jungen Ärzten eingeforderte Work-Life-Balance sei immer weniger erreichbar.

Neue Konzepte

Die Ärztekammer hat dieser Tage ihr Konzept einer „Primärversorgung 2020“ vorgestellt – mit den Säulen Hausarzt, Gruppenpraxis mit zwei oder mehreren Partnern und erweiterte Gruppenpraxis (u. a. mit mobiler Krankenschwester, Sozialarbeiter, Ernährungsberater, Wundmanager, Ordinationsmanager etc.). Gruppenpraxen sind für Bachinger aber zu wenig: „Das würde das Problem nicht lösen.“ Es brauche neue Organisationsformen, die Ärzte von Aufgaben entlasten, die sie derzeit oft machen, aber auf andere Berufsgruppen – wie etwa Pflegepersonal – übertragen werden könnten.