Schon Kleinkinder können den längeranhaltenden Wunsch nach dem entgegengesetzten Geschlecht haben.
Lily und Jessica kichern, während sie mit ihren Monster High Modelpuppen spielen. Sie plaudern über Hello Kitty und malen Prinzessinnen in bunten Kleidern. Auf den ersten Blick eine normale Szene von zwei Mädchen, die sich zum Spielen treffen. Nur, dass Lily und Jessica als Buben zur Welt kamen. Biologisch sind sie das nach wie vor. Sie wachsen aber als Mädchen auf, tragen Röcke, lackieren sich die Nägel und spielen mit Spielzeug, das typischerweise mit Mädchen verbunden wird. „Wenn ich als Bub leben müsste, wäre ich sehr verärgert. Wirklich verärgert. Jetzt, wo ich als Mädchen lebe, fühle ich mich viel besser“, sagt die sechsjährige Lily. Jessica, acht, ergänzt: „Ich wollte wirklich kein Junge sein. Ich bin unglücklich, weil ich keinen Mädchenkörper habe.“
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Lily und Jessica sind Transgender-Kinder aus
Großbritannien. Der Fernsehsender
BBC porträtierte die beiden anlässlich der britischen Erstausstrahlung der Dokumentation „Transgender Kids“. Der amerikanische Filmemacher
Louis Theroux stellt darin Kinder vor, die den Wunsch haben, obwohl sie biologisch eindeutig weiblich oder männlich sind, im entgegengesetzten Geschlecht zu leben - langfristig. Betroffene fühlen sie sich im falschen Körper, oft seit sie Kleinkinder sind. Medizinisch spricht man von einer Störung der Geschlechtsidentität, die über eine vorübergehende Phase hinausgeht. Laut einem Positionspapier der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) kommt dies sehr selten vor. Genaue Zahlen gibt es nicht, man geht aber von einer Zunahme aus. Bei jüngeren Kindern überwiegen Buben mit dem Wunsch nach dem weiblichen Geschlecht, im Jugendalter ist das Geschlechtsverhältnis ausgeglichen. Zu den Ursachen von Transgender gibt es unterschiedliche Ansätze, bis jetzt allerdings keine anerkannte Erklärung.
Großer Leidensdruck
Bei den meisten Kindern ist das Phänomen vorübergehend, bei etwa einem Fünftel verstärkt sich der Wunsch im anderen Geschlecht zu leben zur Pubertät hin. Wird das unterdrückt, kann ein „großer Leidensdruck entstehen, bis hin zu sozialer Isolation, Depression und Suizid“, heißt es im Positionspapier der ÖGKJ.
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In einigen Ländern, darunter
Kanada und die
Niederlande, gibt es Bemühungen, bei Transgender-Kindern die beginnende Pubertät mit Hormonbehandlung zu verzögern. So wird die Geschlechtsreife verschoben, um Betroffenen später einen langen Leidensweg zu ersparen, sollten sie sich auch als Erwachsener für das andere Geschlecht entscheiden. Das kann jederzeit unterbrochen werden. Mit 16 Jahren kann dann mit einer gegengeschlechtlichen Hormonbehandlung begonnen werden. Voraussetzung ist eine kontinuierliche psychiatrische und psychotherapeutische Betreuung und Evaluation der Diagnose. In
Österreich sollen demnächst auf Basis von Empfehlungen der ÖGKJ vom
Gesundheitsministerium in einer Expertenrunde Behandlungsstrukturen für Transgender-Kinder erarbeitet werden. Derzeit sind sie hierzulande selten in Behandlung, eine offizielle Anlaufstelle für Familien mit Transgender-Kindern gibt es nicht. Nur in Einzelfällen finden bereits bei Kindern Hormontherapien statt.
Österreich hinten nach
In den USA und Großbritannien ist man um einiges weiter als hierzulande. In Kalifornien gibt es beispielsweise seit 1.1.2014 ein Gesetz, nach dem sich Transgender-Kinder aussuchen können, welche Toilette oder Umkleide sie benutzen. Andere US-Staaten haben Richtlinien erlassen, die die Rechte betroffener Kinder stärken. In Großbritannien sind eigene Medizinzentren mit interdisziplinären Teams offizielle Anlaufstelle für Betroffene. Dort werden auch die Eltern der Kinder betreut und ein Austausch mit anderen Familien ist möglich.
Auch Filmemacher Theroux spricht sich in seiner Doku für den Geschlechtswechsel von Transgender-Kindern aus. Das sei die Chance, „das grundlegendste Recht, das wir haben, zu praktizieren – das Recht, wir selbst zu sein.“ Jessica und Lily sind überzeugt, dass sie später weiter als Mädchen leben möchten. „Auch mit 70 oder 100 Jahren“, sagt Lily.
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