Nachlässigkeit gefährdet Organe
Eine schwere Herzmuskelerkrankung machte bei einer 24-jährigen Mutter bald nach der Geburt ihres Kindes eine Transplantation notwendig. Neun Monate später gab es die erste schwere Abstoßungsreaktion, fünf Wochen darauf bereits die nächste. „Wir konnten uns das zunächst nicht erklären“, sagt Andreas Zuckermann, Leiter des Herz-Transplantationsprogramms an der MedUni Wien am AKH. Denn die gemessenen Blutspiegel der Medikamente gegen die Abstoßung waren normal. Bis sich herausstellte: Die Patientin nahm ihre Medikamente immer erst dann, wenn die ersten Zeichen einer Abstoßung auftraten. Bis sie einmal mit einem schweren Organschaden zusammenbrach und nicht mehr vorab rasch ihre Tabletten nehmen konnte. „Unter Tränen erzählte sie, wie unangenehm es ihr war, überall die Schachtel mit den Medikamenten mitzunehmen – das war für sie ein Zeichen für Krankheit, und sie wollte nicht krank sein.“ Nachdem sie eingesehen hatte, dass dies so nicht weitergeht, erhielt sich noch einmal ein Spenderorgan – seither hält sie sich an die genauen Einnahmezeiten.
Je nach Studie nehmen 15 bis 55 Prozent der Empfänger von Spenderorganen ihre Medikamente gegen die Abstoßung nicht regelmäßig ein. In einer GfK-Umfrage im Auftrag von Astellas Pharma sagten immerhin zehn Prozent der Transplantationspatienten, nachlässig zu sein, wenn es ihnen gut geht: „Es ist erstaunlich, dass es so viel zugeben, die tatsächliche Größenordnung schätze ich auf 15 bis 20 Prozent. Wenn es einem gut geht, vergisst man alles“, so GfK-Chef Rudolf Bretschneider.
„Die Gründe für die Nicht-Einnahme sind vielfältig“, sagt Zuckermann. „Jeder Dritte vergisst einfach darauf, andere tun es bewusst weil sie etwa meinen, die Transplantation liege ohnehin schon so lange zurück.“
Genau erklären
Es bringe nichts, einem Patienten, der seine Medikamente aus welchen Gründen auch immer nicht einnimmt, einfach nur zu sagen, „Das müssen Sie trotzdem nehmen“, betont Zuckermann: „Ich kann als Arzt die Patienten ja nicht zwingen. Ich muss es ihnen genau erklären und die Gesprächskanäle zu ihnen offen halten. Die richtige Kommunikation ist dabei ganz entscheidend.“ Bei manchen Patienten sei es auch „wie am Bazar: Wir handeln aus, was sie von all ihren Medikamenten am ehesten weglassen können und was auf keinen Fall.“ 30 Prozent der Herztransplantationspatienten sind auch Diabetiker, viele haben Bluthochdruck – das erhöht die Tablettenzahl.
Bis zu 90 Prozent der akuten Abstoßungen nach dem ersten Jahr nach der Transplantation haben mangelhafte Medikamenteneinnahme als Ursache, ebenso bis zu 26 Prozent der Todesfälle von Herztransplantierten. Umgekehrt zeigen die drei am längsten mit einem Spenderherz lebenden Patienten, was möglich ist: „Sie wurden schon vor 28 Jahren transplantiert.“
Am Wiener AKH am Mittwoch erstmals einem Kind in Österreich ein Spenderherz transplantiert, das zuvor drei Monate lang ein Kunstherz – eine Mini-Rotationspumpe – implantiert hatte. Dabei handelte es sich um eine Kooperation der Herztransplanteure mit den Spezialisten des Kunstherzprogramms (Leitung Dozent Daniel Zimpfer) und der Kinderkardiologie (Leitung Prof. Ina Michel-Behnke) an der MedUni Wien im Wiener AKH. Die Kardiologen haben die Patientin optimal auf die Operation vorbereitet.
Das 13-jährige Mädchen litt an einer seltenem Form einer Herzmuskelerkrankung und in Folge auch an Lungenhochdruck. Wäre das kranke Herz sofort gegen ein Spenderherz ersetzt worden, wäre es durch den erhöhten Widerstand von der Lunge, gegen den das alte Herz anpumpen musste, ebenfalls zerstört worden. Deshalb wurde zunächst durch die Entlastung des Herzens mithilfe der Pumpe der Lungendruck so weit gesenkt, dass eine Transplantation möglich wurde. Das Kunstherz saugte dabei das Blut aus der linken Herzkammer und pumpte es am Herz vorbei in die Hauptschlagader, unterstützte so die linke Herzkammer. „Dem Mädchen geht es nach dem Eingriff gut“, so Zuckermann.