Jeder Augenblick zählt
Freiwillig aus dem Leben scheiden? Frau Petra hält ganz kurz inne, ihr Sauerstofftank ist plötzlich das einzige Geräusch in ihrem Zimmer im CS Hospiz Rennweg. Die Augen der 70-Jährigen mit unheilbarem Lungenkrebs blitzen auf, resolut sitzt sie noch gerader als bisher. "Niemals! Das ist ganz unmöglich."
Erst diese Woche haben in Deutschland renommierte Wissenschaftler (darunter Medizinrechtler und Palliativmediziner) einen Gesetzesentwurf veröffentlicht, der Ärzten die Assistenz bei einer Selbsttötung erlauben soll. In Deutschland ist – wie auch in Österreich – derartige aktive Sterbehilfe verboten. Das Bedürfnis unheilbar Kranker komme aus dem Wunsch, nach eigenen Würdevorstellungen sterben zu wollen, so die Initiatoren.
Die Station im Haus der Caritas Socialis erinnert mit hellen Gängen und frischen Farben in der Tat eher an ein gemütliches Wohnheim als ein Hospiz. Dazu tragen auch die Stationskatzen Mimi und Max bei. Sie machen auf ihre Art ebenfalls "Dienst", nähern sich den Patienten an, wenn diese es wollen.
Bitte nicht stören
Respektvolle Betreuung oder Sterbehilfe? Was brauchen schwerstkranke Menschen für ein Leben und Sterben in Würde? Diesen Fragen widmet sich ab 17. September eine parlamentarische Enquete-Kommission im Parlament. "Es ist wichtig, dass das Thema endlich öffentlich, sachlich und ehrlich diskutiert wird", erklärt Wolfgang Gerstl, VP-Verfassungssprecher den Hintergrund. Je besser jemand Bescheid wisse, desto besser könne man entscheiden. "Vielleicht können wir manchen helfen und einen Beitrag für mehr Zufriedenheit und Zuversicht im Hier und Jetzt geben." Er plädiert für das Recht auf Begleitung am Lebensende.
Die Diskussion, was noch lebenswert ist, wird gerade in den vergangenen Jahren intensiv geführt. Laut Umfragen steigt auch hierzulande die Zustimmung jener, die aktive Sterbehilfe (wie derzeit u. a. in der Schweiz möglich, Anm.) befürworten. Warum, erklärt sich Christine Schäfer, Vorstandsvorsitzende im Hospiz Am Rennweg so: "Der Durchschnittsbürger glaubt zu wissen, welches Leben noch lebenswert ist." Ähnlich argumentiert Franz-Joseph Huainigg, VP-Fraktionsleiter der Enquete-Kommission. Er ist auf einen Elektrorollstuhl angewiesen und muss künstlich beatmet werden. "Viele, die mich sehen – mit gelähmten Beinen und Armen und künstlicher Beatmung – glauben, dass sie so nicht leben wollen. Ich aber bin glücklich. Niemand kann sagen, welche neuen Blickwinkel und Lebensqualitäten man bekommen kann, wenn man an die Grenzen seines Lebens stößt."