So profitieren Patienten von eHealth
Von Ingrid Teufl
Patient E. muss schon seit Jahren sechs Medikamente einnehmen – wegen neuer Beschwerden verschreibt ein erstmals konsultierter Facharzt ein weiteres. Es ist das siebente, denn der Mediziner wusste nicht, dass sein neuer Patient bereits täglich mehrere Pulverln schluckt. Wäre er davon informiert gewesen, hätte er das neue Präparat wohl nicht verordnet. Zumal es die Wirkung der anderen Präparate aufhebt. Dazu fallen Arzt- und Medikamentenkosten an, die nicht nötig gewesen wären.
Im Gesundheitssystem kommt es immer wieder zu solchen Fällen. Ein Hauptgrund: Die einzelnen Stellen sind nicht oder zu wenig vernetzt. Im Hauptverband der Sozialversicherungsträger (SV) ist man überzeugt: Moderne elektronische Services bringen allen Beteiligten, vor allem den Versicherten selbst, Vorteile. Bei Patient E. wären alle Medikamente auf der eCard gespeichert. "Alles, was ein Patient verschrieben bekommt, wird automatisch eingetragen", erklärt Alexander Biach, Vorstandsvorsitzender der SV. "Durch eine spezielle Software sieht der behandelnde Arzt sofort, wenn bei Arzneien Wechselwirkungen gegeben sind."
Das System soll noch heuer Testregionen umgesetzt werden. Biach betonte am Mittwoch, Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) habe die dafür nötige Verordnung für Anfang Oktober (also noch vor der Nationalratswahl) zugesagt.
- Einsparungen: Insgesamt rechnet die SV im Verwaltungsbereich mit 120 Millionen Euro weniger, etwa durch Bündelung und Vereinheitlichung von IT-Systemen. Alleine durch diese und andere Anwendungen mit ELGA (elektronische Gesundheitsakte) erwartet Biach bis 2021 rund 80 Millionen Euro Einsparungen im Verwaltungsbereich. Mit doppeltem Nutzen: Es fallen unerwünschte Arzneiwechselwirkungen weg, aber auch Mehrfachverschreibungen durch verschiedene Ärzte. Dadurch reduziert die SV Kosten. Zusätzlich sollen sich die Versicherten Zeit ersparen: Der Hauptverband rechnet bei der eMedikation mit 500.000 Stunden pro Jahr.
- eBefund In der elektronischen Befundung (Datenübermittlung von Befunden nach einem Spitalsaufenthalt an den Hausarzt) sieht Biach viel Potenzial. Der Aufwand durch verlorene Befunde, neuerliche Untersuchungen, Verrechnungen und Kosten sei durch elektronische Übermittlung eindämmbar. Die Umsetzung dieses Projekts läuft bereits: Außer für das Burgenland ist der eBefund für Spitäler bereits Realität, bei den niedergelassenen Ärztet es noch heuer.
Die Gespräche mit der neuen Ärztekammer-Führung laufen gut, so Biach. Es gehe darum, dass der Hausarzt die Befunde der Spitäler rascher anschauen kann und die Suchfunktionen funktionieren. Den von Ärzten befürchteten Mehraufwand sieht Biach nicht. "Es ist eine Frage des Eingabemodus, denn die Befunde müssen ohnehin erstellt werden."
- eBewilligung Gegen "Horrormeldungen" über lange Wartezeiten wehrt sich Biach: Die elektronische Bewilligung laufe für Heilbehelfe und Untersuchungen schon jetzt "auf Knopfdruck", 2018 dann flächendeckend.
Persönliche Daten Diese können – was viele Versicherte nicht wissen – schon jetzt über die Internet-Seite meineSV.at detailliert abgerufen werden: Welche Ärzte man aufgesucht hat oder welche Honorarnoten wann eingereicht wurden, sind ebenso nachvollziehbar wie die jeweiligen Sachbearbeiter.
eCard Mit der bereits beschlossenen Ausstattung der eCard mit Foto will Biach auch eine Aufrüstung zur Bürgerkarte. Mit der nötigen NFC-Funktion (wie beim bargeldlosen Zahlen mit Bankomatkarte) werde ab 2021 die Identifizierung mit eCard und Handy möglich.
Für viele gesundheitliche Probleme muss man keine Spitalsambulanz aufsuchen: Das ist die Idee hinter dem Beratungsservice „Wenn’s weh tut! 1450“. Unter dieser Telefonnummer erhalten die Anrufer einen niederschwelligen Zugang zu Gesundheitsfragen. Der telefon- und webbasierte Service startete im Frühjahr 2017 in Wien, Niederösterreich und Burgenland – mit einer ersten positiven Zwischenbilanz.
Rund 3000 Anrufe wurden pro Monat entgegengenommen. Die Beschwerden werden mit einem detaillierten Befragungskatalog eingeordnet. „In Wien mussten nur zehn Prozent tatsächlich in ein Spital gelenkt werden“, sagt Hauptverbandschef Alexander Biach. Vom Vorbild Schweiz, wo pro Tag bei einem ähnlichen System 4000 Anrufe eingehen und 2000 an Ärzte oder Spitäler verwiesen werden müssen, sei man noch entfernt. „Das Ziel ist aber, dass man sich in Spitalsambulanzen auf schwierige und benötigte Behandlungen konzentrieren kann.“