Warum Männer das schwächere Geschlecht sind
Auch wenn der Mann als starkes Geschlecht bezeichnet wird – in manchen Punkten ist er das schwache Geschlecht", sagt Alexandra Kautzky-Willer, Professorin für geschlechterspezifische Medizin an der MedUni Wien/AKH Wien. Anlässlich des Männergesundheitsmonats November und der Aktion "Movember" informieren Experten am Samstag im Wiener AKH (siehe auch die Subgeschichte unten).
KURIER: Die Lebenserwartung von Frauen ist nach wie vor um fünf bis sechs Jahre länger als jene von Männern. Wieso?
Alexandra Kautzky-Willer: In mehreren Studien wurden die Daten von Mönchen und Klosterschwestern verglichen: Beide sind ohne Familienpflichten und haben einen annähernd vergleichbaren Lebensstil. Dabei zeigte sich eine höhere Lebenserwartung der Männer als in der Gesamtbevölkerung. Was bleibt, sind zwei Jahre mehr für die Frauen im Schnitt, die auf die Biologie zurückzuführen sind: Sie haben ein stärkeres Immunsystem und und sind durch die Östrogene – die weiblichen Geschlechtshormone – in jüngeren Jahren vor Gefäßerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall besser geschützt. Aber die anderen drei bis vier Jahre der kürzeren Lebenserwartung – das ist der Lebensstil.
Also der männliche Hang zum risikoreicheren Verhalten?
Unfälle, Verletzungen, Mutproben – das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ein weiterer ist die Ernährung. Unterschätzt werden die Folgen von psychischen Erkrankungen wie Depressionen: Letztere werden zwar doppelt so häufig bei Frauen diagnostiziert – aber schwere psychische Erkrankungen sind bei Frauen und Männern annähernd gleich häufig. Wobei sich Depressionen beim Mann eher in risikoreicherem Verhalten – Aggressionen, Alkohol und Drogen – äußern.
Ist es nicht so, dass das Wissen über speziell männliche Gesundheitsprobleme immer noch besser ist als über weibliche?
In der medizinischen Forschung wurden die spezielle Situation der Frauen lange vernachlässigt. Aber wir wissen auch über den Mann insgesamt nicht sehr viel – auch über seine Gesundheit gibt es viele weiße Flecken: Denn der Prototyp für Studien war früher der weiße, 35-jährige Mann mit Normalgewicht. Über unterschiedliche Altersgruppen, Ethnien oder soziale Gruppen wissen wir deshalb sehr wenig.
Sie sagen, dass in manchen Punkten der Mann das schwache Geschlecht ist.
Ja, das beginnt schon am Anfang des Lebens. Bereits während der Schwangerschaft, bei der Geburt und im ersten Lebensjahr ist die Sterblichkeit bei Buben höher als bei Mädchen. Sie sind einfach verletzlicher. Auch wenn aufgrund der höheren Lebenserwartung letztlich mehr Frauen an Herz-Kreislauferkrankungen sterben (siehe Grafik): Im Alter zwischen 40 und 70 haben die Männer mehr Herzinfarkte und Schlaganfälle. Sie leiden früher an hohem Blutdruck, und sie haben eine höhere Insulinresistenz, auch wenn sie gesund, jung und schlank sind, was ihr Diabetesrisiko erhöht. Ihr Stoffwechsel ist von vornherein krankheitsanfälliger. Sie erkranken auch häufiger und früher an Krebs. Männer sollten deshalb schon ab 45 und nicht erst ab 50 zur Darmspiegelung – weil wir heute wissen, dass sie im Schnitt rund zehn Jahre früher erkranken.
Lesen Sie unterhalb der Info-Grafik weiter:
Ist es nach wie vor so, dass die Frauen die Männer zum Arzt schicken?
Es gibt viele Daten, die zeigen, dass sich da wenig geändert hat. Vor einigen Jahren gab es eine Prostata-Vorsorgekampagne unter dem Titel "Frauen, die auf ihre Männer schauen". Ich habe das als furchtbar empfunden: Es muss schon die Gesundheitskompetenz des Mannes selbst gestärkt werden.
Es gibt das Klischee vom wehleidigen Mann: Dann hätte er aber doch eine gewisse Sensibilität für körperliche Beschwerden.Das mag vielleicht beim sogenannten "Männerschnupfen" so sein – da wissen wir aber, dass Männer von Infektionen tatsächlich etwas stärker betroffen sind, weil der Schutzeffekt des Östrogens wegfällt. Männer erkranken schwerer und stärker an Infektionen, weil ihr Immunsystem schwächer ist. Für Frauen hat das stärkere Immunsystem aber auch einen Nachteil – sie erkranken häufiger an Autoimmunerkrankungen. Insgesamt sehe ich diese Wehleidigkeit aber nicht, zumindest hat sie keine Konsequenzen. Denn typischerweise gehen Männer erst zum Arzt, wenn sie ein ganz klares, eindeutiges Symptom haben – sie warten mit dem Arztbesuch deutlich länger zu als Frauen.
Wie kann man das Vorsorgebewusstsein bei Männern erhöhen?
Viele Fakten sind zu wenig bekannt – etwa ihr früher erhöhtes Blutdruckrisiko. Hier braucht es mehr Information. In Großbritannien gab es Aufklärungsveranstaltungen in Fußballstadien. Und es müssen Frauen und Männer mehr voneinander lernen – die Männer etwa in puncto Ernährung von den Frauen, und die Frauen vom besseren Bewegungsverhalten der Männer.
„Bleib gesund, Mann!“ ist der Titel eines Thementages von MedUni Wien und AKH Wien diesen Samstag, 4.11., von 10.30 bis 14 Uhr (Hörsaalzentrum, 1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20). Neben interaktiven Stationen (u.a. von Diätologen, Klinischen Pharmazeuten, Sportmedizinern und Physiotherapeuten des AKH Wien) gibt es ein Vortragsprogramm mit Experten von MedUni / AKH Wien:
10.30 Uhr „Der Mann und seine Gesundheit: Wo stehen wir? Warum müssen Männer noch mehr für ihre Gesundheit tun?“ – Alexandra Kautzky-Willer, Professorin für Gendermedizin (geschlechterspezifische Medizin).
11 Uhr PSA-Screening – Christian Seitz, Uni-Klinik für Urologie.
11.30 Uhr Prostata-Krebs – Shahrokh Shariat, Leiter Uni-Klinik für Urologie.
12.30 Uhr „Was kann ich tun, damit es mir besser geht? Männergesundheit und Umweltfaktoren und Lifestyle“ – Hans Mooshammer, Zentrum für Public Health.
13.00 Uhr Herz-Kreislauf-Erkrankungen & Risikofaktoren wie z. B. Rauchen – Michael Kunze, Zentrum für Public Health.
13.30 Uhr Sexualität und sexuelle Gesundheit des Mannes – Harun Fajkovic, Uni-Klinik für Urologie.
Mehr Infos zur Männergesundheit gibt es hier: www.meduniwien.ac.at/movember