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Rücken & Psyche: Schmerz ganzheitlich behandeln

Haben Sie manchmal das Gefühl, es sei ein Kreuz gewesen, durch den Tag zu kommen, weil so viel auf Sie einstürmte? Oder etwas sei fast nicht zum Derheben gewesen? Vielleicht haben Sie sich aber auch verbiegen müssen, um den Ansprüchen von Chef und Familie gerecht zu werden?

"Umgangssprachlich verwenden wir viele organbezogene Begriffe. Sie sind ein Ausdruck für Stress, den wir haben und der Auswirkungen auf unseren Körper hat", sagt Schmerzmediziner Univ.-Prof. Michael Bach. Er leitet derzeit der Fachklinik für Psychosomatik Chiemseeklinik in Bayern, baute zuvor das Department für Psychosomatik (Wechselwirkung/Verbindung von Körper und Seele) im Spital Enns (OÖ) auf. Dass viele dieser Sprachbilder mit dem Rücken zu tun haben, ist kein Zufall. Mit ihren direkten Verbindungen ins Gehirn und zu den inneren Organen ist die Wirbelsäule ein "Hauptprojektionsort" für Probleme.

Dazu braucht es nicht unbedingt körperliche Ursachen. 85 Prozent aller Rückenschmerzen sind unspezifisch. Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer, MedUni Wien: "Das heißt, die starken Schmerzen, die diese Menschen plagen, stehen nicht im Einklang mit den Befunden in Bezug auf das akute Beschwerdegebiet. Sie sind aber keinesfalls Einbildung. Mit Angst und Unsicherheit besetzte Situationen fördern Schmerzen." Auch die Schmerzverarbeitung laufe anders ab. "Seit der Wirtschaftskrise zeigen die Daten einen Anstieg bei Rückenschmerz." Schmerzexperte Bach: "Angst öffnet die Schmerzwahrnehmung."

Psyche und Schmerz sind eng verbunden. Schmerz ist ein "Phänomen und ein Verarbeitungsprozess des Gehirns – da spielen psychische Erfahrungen eine nicht unwesentliche Rolle", betont Bach. Die Unterscheidung in körperliche und psychische Ursachen von Schmerzen sei heute überholt. "Es darf kein Widerspruch sein, somatisch (auf der Körperebene) und psychisch zu denken. Wir gehen davon aus, dass eine Krankheit aus mehreren Faktoren entsteht." Dazu zählen körperliche Belastung, aber auch seelische. "Ähnlich wie beim Burn-out sind es viele kleine Ereignisse, die das Fass zum Überlaufen bringen. Die psychische Situation befeuert die Schmerzen." Nicht umsonst sind wohl chronische Schmerzen und hier besonders Rückenschmerzen mittlerweile die häufigste psychosomatische Erkrankung.

Gehirn beeinflussen

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Die Verstrickung von Gehirn, Psyche und Schmerz hat auch gute Seiten. Unser Gehirn lässt sich durch psychische Prozesse beeinflussen. So werden etwa die Ängste besorgter Patienten bereits vor Operationen behandelt. Bach: "Wir wissen, dass die OP-Ergebnisse danach besser sind." Wer sich das Kreuz verreißt, muss jedoch nicht gleich zum Psychotherapeuten. Bach rät allerdings, anhaltende Beschwerden auch psychosozial abzuklären. Denn es bleibe oft nur wenig Zeit, um eine Chronifizierung zu verhindern. "Dann hat sich der Schmerz von seiner auslösenden Ursache entkoppelt und verselbstständigt." Die größte Herausforderung für den Schmerz­mediziner ist es, seine Patienten zu motivieren. "Organische Ursachen akzeptieren viele Patienten leichter. Seelisch an sich zu arbeiten erfordert einen längeren Atem. Man muss selbst im Kopf die richtigen Knöpfe finden."

Pilotprojekt: Düfte und Farben ergänzen die Schulmedizin

Der Duft von Sandelholz, Mandarine und Lavendel zieht durch den Raum und sanftes Licht wechselt von Blau über Gelb zu Rot. Duftlampen, farbiges Licht – im Orthopädischen Zentrum des Otto-Wagner-Spitals in Wien erinnert auf den ersten Blick wenig an eine Station für chronische Wirbelsäulen- und Schmerzpatienten.

Das hat das Team um Prim. Peter Zenz und Oberarzt Peter Smretschnig für ein Pilotprojekt bewusst so konzipiert. "Wirbelsäulen-Schmerzpatienten brauchen mehr als Medikamente. Bei einer stationären Schmerztherapie profitieren sie von einer Vielzahl an Behandlungen." So soll der Spitalsaufenthalt zu einer Initialzündung für den Umgang mit der Erkrankung zu Hause werden.

Das Behandlungskonzept umfasst die gesamte schmerztherapeutische und orthopädische Palette – von manuellen Behandlungen (Massagen, Strom- oder Ergotherapie) bis zu halboperativen Maßnahmen wie etwa Infiltrationen. Bei Bedarf werden auch Neurologie- und Psychosomatik-Experten beigezogen.

Entspannung

Das Besondere des Projekts ist zweifellos der Entspannungsschwerpunkt. Dafür nutzt man die Aromatherapie. Das heißt, ätherische Öle werden zur Beduftung von Räumen und als Körperwickel angewendet. "Gerade Schmerzpatienten sind oft sehr verspannt und verkrampft. Aber für die Wirbelsäule ist Entspannung das Um und Auf. Wir wollen sozusagen die Seele über die Sinne mitbehandeln", erklärt Smretschnig. "Als ergänzendes Verfahren hat die Aromatherapie durchaus ihren Stellenwert", sagt Zenz. Den Patienten tun die schmerzstillend, entspannend oder stärkend wirkenden Düfte gut, weiß Stationsleiterin Martina Hauk. "Sie schätzen diese ganzheitlichen Angebote."

Das Rad habe man mit dem Pilotprojekt nicht neu erfunden, betont Zenz. "Wir versuchen nur, alle an unserem Standort verfügbaren Kräfte zu bündeln." Das ist gerade bei Wirbelsäulenproblemen sinnvoll. Smretschnig: "Sie ist jenes Organ, an dem sich viele Probleme zeigen, auch wenn sie nicht die primäre Ursache des Schmerzes ist."

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