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Rheuma: "Man muss keinen Schmerz aushalten"

"Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Psyche und rheumatischen Erkrankungen?", lautete eine Frage aus dem Auditorium. "Früher hat man gedacht, dass es einen speziellen Persönlichkeitstyp gibt, der mit Rheuma in Zusammenhang steht – aber das hat sich in allen Studien als falsch erwiesen. Den gibt es ganz sicher nicht", sagte die Gesundheitswissenschafterin Univ.-Prof. Tanja Stamm von der MedUni Wien. "Ich habe das über die vielen Jahrzehnte auch nicht gesehen", so der Rheumatologe Univ.-Prof. Josef Smolen, MedUni Wien und Krankenhaus Hietzing.

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Stamm und Smolen waren zwei Podiumsteilnehmer beim Gesundheitstalk "Rheumatische Erkrankungen: Neueste Forschungserkenntnisse" von KURIER, MedUni Wien und Novartis.

Sehen Sie hier eine Video-Aufzeichnung des Gesundheitstalks in voller Länge (zirka eineinhalb Stunden):

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"Aber dass eine chronische Entzündung mit Schmerzen jemanden missmutig und depressiv macht, das ist verständlich." Deshalb sei die richtige Behandlung so wichtig: "Und da muss man bei den entzündlichen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis sagen: Wir können diese Erkrankungen nicht heilen. Aber wir können zu heilungsähnlichen Zuständen kommen." Bei vielen Patienten könne der Krankheitsfortschritt gestoppt werden.

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Schmerz werde immer noch bagatellisiert, beklagte Smolen: "Wir alle wachsen auf mit dem Spruch ,En Indianer kennt keinen Schmerz‘, aber Schmerzen vergällen das Leben – und das darf nicht sein. Man muss keinen Schmerz aushalten. Es ist wichtig, den Ursachen auf den Grund zu gehen." Wie groß das Problem sei, zeige der Umstand, dass rheumatologische Erkrankungen – nach grippalen Infekten – die zweithäufigste Ursache von Krankenständen seien.

Komplexe Auslöser

Was genau entzündliche rheumatische Erkrankungen auslöse, sei nicht bekannt: "Aber es gibt viele Hinweise, das Umweltfaktoren und erbliche Komponenten eine Rolle spielen." Die Umweltfaktoren seien nicht im Detail bekannt: "Wir wissen, dass manche Bakterien und gelegentlich auch Viren zu Gelenksentzündungen führen können."

"Können bestimmte Nahrungsergänzungsmittel bei der abnützungsbedingen Arthrose helfen?", wollte eine andere Besucherin wissen. "Bei diesen Nahrungsergänzungsmitteln teilt sich die Welt in zwei Lager, antwortete Smolen. "Die einen sagen, sie wirken – auch im Hinblick auf eine Verlangsamung des Fortschreitens – und die anderen sagen, sie taugen nichts." Er glaube schon, dass Produkte wie Chondroitin und Glucosamin helfen könnten.

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Doch die Datenlage dafür ist schlecht: "Es gibt sehr wenig Evidenz für medikamentöse Therapien bei Arthrose", sagte Stamm. "Wo es hingegen viele Belege einer Wirkung gib, das sind entsprechende Bewegungsübungen, das Anpassen von Alltagstätigkeiten, Kälte- und Wärmeanwendungen sowie generell das Selbstmanagement der Erkrankung. Sind etwa die Fingergelenke betroffen, könne die Ergotherapie den Schmerz dramatisch reduzieren und die Funktionsfähigkeit wiederherstellen.

Wie wichtig Bewegung ist, zeigt auch das Beispiel von Paul Pocek, Präsident der Österreichischen Vereinigung Morbus Bechterew: "Bei der Diagnose vor 40 Jahren habe ich mir spontan gedacht: Mir bleibt nur Minigolf – da steht man so gebeugt wie damals die Patienten – oder Schach. Aber ich bin bis heute sportlich aktiv, obwohl ein Teil meiner Wirbelsäule versteift ist. Die regelmäßige Bewegung ist enorm wichtig."

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Stamm: "Es kommen immer wieder Patienten mit Abnützungsleiden wie der Arthrose und sagen: ,Warum darf ich nicht die neuen Medikamente nehmen, die Patienten mit entzündlichen Rheumaformen erhalten?‘" Antwort: "Diese wirken nicht bei diesen degenerativen Erkrankungen." Deshalb müssten die Patienten nicht traurig sein: "Es gibt viele Studien die zeigen: Wenn man sich regelmäßig bewegt und das richtig macht, dann geht es einem auch mit diesen Erkrankungen viel besser und man hat deutlich weniger Symptome."

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Der nächste Gesundheitstalk

Der nächste Gesundheitstalk von MedUni Wien, KURIER und Novartis findet am 22.11., 18.30 Uhr, zum Thema "Fortgeschrittener Brustkrebs" statt.

Veranstaltungsort

Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien, Van-Swieten-Gasse 1a (Ecke Währinger Str.), 1090 Wien.