Rezeptfrei heißt nicht ohne Risiko
Von Ingrid Teufl
Eine Brausetablette gegen Kopfweh, eine Kapsel gegen Rückenschmerzen, eine halbe Pille gegen Schwindel. Österreicher greifen gerne zu rezeptfreien Schmerzmitteln: Eine Befragung der Statistik Austria ergab, dass jeder vierte Österreicher in den vergangenen zwei Wochen ein rezeptfreies Medikament eingenommen hat.
So harmlos, wie es die Rezeptfreiheit vorgaukelt, sind diese Präparate keinesfalls, warnt der Verein für Konsumenteninformation (VKI): "Diese OTC-Medikamente (von engl. "over the counter") sind nicht ungefährlich. Bei Missbrauch oder Überdosierung besteht Lebensgefahr." Rund 50 Präparate aus heimischen Apotheken wurden für den Test ( August-Ausgabe des Magazins Konsument ) untersucht.
Zugang verschärfen
Deutsche Behörden überlegen bereits, die Zugangskriterien für diese Medikamentengruppe zu beschränken, etwa durch kleinere Packungsgrößen. Der beliebte Schmerzstiller Paracetamol soll dort sogar generell rezeptpflichtig werden. In Österreich ist das derzeit kein Thema. Bei der heimischen Medikamentenzulassungsbehörde AGES registriert man keinen Anstieg unerwünschter Nebenwirkungen. Univ.-Prof. Marcus Müllner: "Bei bekannten Symptomen und Erfahrung ist ein gewisses Maß an Eigenverantwortung der Patienten zulässig."
Man könne jedoch nie genug aufklären. "Paracetamol etwa ist heikel. Es hat ein breites Wirkspektrum, die Nebenwirkungen werden aber vernachlässigt. Ein Missbrauch macht länger keine spürbaren Probleme. Dann kann aber plötzlich innerhalb weniger Tage die Leber zerfallen und der Patient braucht rasch ein Spenderorgan."
Risiken stellte der VKI auch bei den häufig eingesetzten Wirkstoffen ASS (Acetylsalicylsäure, etwa in Aspirin) und Ibuprofen fest. Die Dosis für Vergiftungserscheinungen liege zwar höher als bei Paracetamol. Aber: "Auch bei Gesunden können Magenblutungen, Blutgerinnungsstörungen oder Nierenschäden auftreten", sagt der VKI. Ebenso kritisieren die Tester Schmerzmittel-Zusatzstoffe wie Coffein oder Vitamin C. Belege einer Schmerz oder Fieber senkenden Wirkung fehlen.
Vielfach hängen die Nebenwirkungen mit Mehrfachmedikationen, etwa bei Älteren, zusammen. Gudrun Reisinger von der Apothekerkammer: "Zwei Drittel aller abgegebenen Packungen gehen an Senioren." Einen weiteren Aspekt sieht Univ.-Prof. Michael Freissmuth, Pharmakologe an der MedUni Wien: "Diabetes und Stoffwechselerkrankungen nehmen bei jüngeren Menschen zu. Deren Medikamente werden ebenso durch Präparate wie Aspirin beeinflusst. Das gab es früher viel seltener – und ist dadurch auch weniger aufgefallen."
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