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Potenzial chronisch Kranker nutzen

Im Jahr 2005 war ich insgesamt ein halbes Jahr im Krankenstand. Die Sorge, den Arbeitsplatz zu verlieren, belastet. Manche Arbeitgeber hätten in dieser Situation sicher geschaut, dass sie mich loswerden." Manuela Lanzingers Arbeitgeber nicht. Die studierte Naturwissenschaftlerin arbeitet auch heute, fast zwölf Jahre nach der Diagnose der chronischen Nervenerkrankung Multiple Sklerose (MS), noch immer als Natur-Spezialistin bei "die umweltberatung" in Wien.

"Meine Krankheit wurde anfangs kontinuierlich schlimmer. Ich bin davon ausgegangen, dass ich nicht lange arbeiten kann. Bei meinen Arbeitgebern habe ich jedoch wirklich viel Verständnis erfahren. Sogar beim Firmenumzug wurde darauf geachtet." Dass in ihrem Büro nun eine Couch steht, damit sie sich an schlechten Tagen zwischendurch ausrasten kann, ist nur ein kleines Detail. "Aber dass extra für mich an ein Behinderten-WC und sich automatisch öffnende Türen gedacht wurde, ist wirklich toll."

Chance für die Wirtschaft

Manuela Lanzingers Beispiel zeigt, dass mit gutem Willen vieles möglich ist, gesundheitlich beeinträchtigte Menschen im Berufsleben zu halten. "Es ist eine Chance für die Wirtschaft, das Potenzial von chronisch Kranken zu nutzen", sagt Brigitte Jank, Wiener Wirtschaftskammerpräsidentin. Sie gesteht jedoch, dass dafür in vielen Betrieben oft erst Bewusstsein geschaffen werden muss. "MS-Patienten sind sicher kein unnützer Kostenfaktor. Die Diagnose heißt nicht sofort Rollstuhl. Wir haben heute Medikamente, die es vor 20 Jahren noch nicht gab und die den Krankheitsverlauf verzögern können", betont Neurologe Univ.-Prof. Karl Vass, Präsident der MS-Gesellschaft.

Das weiß auch Umweltberaterin Lanzinger. "Ich bin zwar teilweise auf eine Gehhilfe angewiesen, aber medikamentös bin ich sehr gut eingestellt. Seither habe ich keine so schweren Ausfälle wie 2005 gehabt." Sie appelliert an die Arbeitgeber, chronisch Kranken Chancen zu geben und flexibel zu sein. "Flexibilität wird ja auch von den Mitarbeitern erwartet. Und wir haben doch ein Recht, zu arbeiten."

Zumal sich die Sicherheit, selbst für sich sorgen zu können, positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Vass: "MS-Patienten können sehr wertvolle, engagierte Mitarbeiter sein. Sie wollen ja arbeiten, wenn sie dazu körperlich in der Lage sind. Wir wissen zudem: Wenn nicht gerade längere Ausfälle durch schwere Schübe entstehen, haben MS-Patienten oft weniger Krankenstandstage als Gesunde."

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