Parasit in Katzenkot macht mutiger
Von Ernst Mauritz
„Ab heute werden Sie Unternehmer mit ganz anderen Augen sehen“, sagte ein BBC-Radiomoderator nach einem Beitrag über eine US-Studie: Eine Infektion mit dem Toxoplasmose-Erreger, dem Parasiten Toxoplasma gondii, könnte Angstgefühle reduzieren und die Risikofreudigkeit stärken. Die Befragung und Untersuchung von 1500 Studenten durch die Universität von Colorado zeigte: Jene, bei denen eine Infektion nachgewiesen werden konnte, studierten um das 1,4-Fache häufiger Wirtschaft und strebten um das 1,7-Fache öfter eine Management- und Unternehmer-Karriere an. Und bei Veranstaltungen für Unternehmer hatten knapp doppelt so viele Teilnehmer, die infiziert waren, bereits ein eigenes Unternehmen. Die Studie ist im Fachjournal Proceedngs of the Royal Society B erschienen.
Auch wenn das nur eine Beobachtung ist und noch kein eindeutiger, kausaler Zusammenhang nachweisbar ist: „Man weiß aus früheren Studien, dass es einen Zusammenhang zwischen Toxoplasmose-Infektionen und neurologischen Störungen bzw. Verhaltensänderungen gibt“, sagt Andrea-Romana vom Toxoplasmoselabor und der Nachsorgeambulanz der Kinderklinik im AKH/MedUni Wien. So zeigte sich ein erhöhtes Risiko für Autounfälle – möglicherweise auch eine Folge erhöhter Risikobereitschaft.
Bei Mäusen sind die Zusammenhänge übrigens klarer: Sie reagieren auf eine Infektion mit einer Gehirnentzündung, werden dadurch in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt – und können so leichter von den Katzen gefressen werden. Möglicherweise eine Strategie des Parasiten: Mäuse sind (wie der Mensch) nur ein Zwischenwirt – lediglich in der Katze können sie ihren Entwicklungszyklus vollenden.
Jede Dritte infiziert
Bei einem gesunden Immunsystem verläuft eine Infektion ohne Symptome. „Der Parasit bleibt aber ein Leben lang im Körper“, sagt Prusa.
Seit 1974 gibt es in Österreich ein – weltweit vorbildliches – Toxoplasmose-Screening. Vor Beginn der 9. Schwangerschaftswoche sollte die erste Blutuntersuchung stattfinden: Zeigt sich, dass eine Frau bereits Kontakt mit dem Erreger hatte (rund jede Dritte), sind bei Gesunden weitere Untersuchungen nicht mehr notwendig: „Gefährlich für das Kind – nicht für die Schwangere – sind nur neue, akute Infektionen in der Schwangerschaft.“
Deshalb sollte bei allen Frauen, die noch nicht infiziert waren, bis zur Geburt alle acht Wochen eine neuerliche Blutuntersuchung gemacht werden. Bei frischen Infektionen wird eine effiziente Antibiotika-Therapie durchgeführt: „Diese Präparate wirken in der Plazenta (Mutterkuchen, Anm.) und verhindern, dass der Parasit das Baby infiziert.“ Denn unbehandelt kann es bei einem Ungeborenen und bei Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem zu schwerwiegenden Komplikationen kommen – etwa Hirnentzündung, Entwicklungsstörungen, Erblindung.
Katzen können die Parasiteneier im Kot ausscheiden und gelten bei vielen Menschen als die bedeutendsten Überträger. „Der Kontakt zu Katzen ist bei uns aber nicht die Infektionsquelle Nummer eins“, betont Prusa: Häufiger sind es diverse Nahrungsmittel – nicht ausreichend durchgebratenes Fleisch, Gemüse oder Obst –, weil die Pflanzen, Früchte oder Kühe mit Katzenkot in Kontakt gekommen sind.
Mikroorganismen und das Gehirn
Dass Mikroorganismen wie Parasiten, Bakterien oder Viren die Gehirnfunktion beeinflussen können, sei heute grundsätzlich unbestritten, sagt Jürgen Sandkühler vom Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien. „Ein bekanntes Beispiel sind die Influenza-Viren: „Man ist müde, abgespannt, teilweise depressiv verstimmt – alles Folgen der Neuroinflammation, entzündlicher Prozesse in verschiedenen Hirnarealen, die durch die Infektion ausgelöst werden.“ Und es sei auch durchaus plausibel, dass Eigenschaften wie Risikobereitschaft und Ängstlichkeit durch solche Prozesse im Gehirn beeinflusst werden. Eine solche Entzündung scheine ein allgemeines Reaktionsmuster des Gehirns auf ungewöhnliche Einflüsse zu sein“, erklärt Sandkühler.
„Auslöser können Mikroorganismen, aber auch toxische Substanzen wie zum Beispiel Alkohol sein.“ So gibt es immer mehr Hinweise, dass Veränderungen in der Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm Auswirkungen auf die Psyche haben. Als Folge einer solchen Entzündung verändert sich die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen: „Einige Nervenzellen werden gedämpft, andere hingegen leichter erregbar.“ Dadurch könne sich die Hirnfunktion „in einer sehr ungünstigen Art und Weise“ verändern.
Und man wisse heute auch, dass bei vielen Erkrankungen – Depressionen, Angststörungen, aber zum Beispiel auch Alzheimer – solche Entzündungsprozesse eine große Rolle spielen.