Österreichs erstes "Wunschbaby" wird 30
Von Ernst Mauritz
Zlatan Jovanovic wirkt etwas ermattet: "Meine runden und halbrunden Geburtstage sind immer ein Stress. Ich bin schon gespannt, was los sein wird, wenn ich 50 bin", lacht er trotzdem freundlich beim Interview im Wunschbaby Institut Feichtinger in Wien.
Als Jovanovic vor 30 Jahren – am 5. August 1982 – geboren wurde, war er das erste österreichische "Retortenbaby", das durch Zeugung außerhalb des Körpers der Mutter (IVF, In-vitro-Fertilisation) zur Welt gekommen ist. Die Gynäkologen Univ.-Prof. Wilfried Feichtinger, Univ.-Doz. Peter Kemeter und Univ.-Prof. Stephan Szalay waren seine "medizinischen Väter".
Seine Mutter habe es damals nicht leicht gehabt: "Sie hatte vor der künstlichen Befruchtung mehrere Fehlgeburten hinter sich." Als dann nach der Geburt die Medien über Zlatan berichteten, "musste sich meine Mutter auf der Straße von Unbekannnten auch beleidigende Kommentare anhören, wie man so etwas nur machen könne. Damals war das ja etwas völlig Neues."
Als Kind habe er sich gewundert, warum er so oft fotografiert werde, erinnert sich Zlatan: "Im Alter von zehn, elf Jahren hat meine Mutter versucht, mir den Grund zu erklären. Aber damals war das zwei, drei Tage für mich interessant, dann hatte ich es wieder vergessen."
In der Hauptschule hatte die Lehrerin einmal einen Artikel aus einer Zeitschrift über ihn aufgehängt: "Da habe ich das Thema zum ersten Mal richtig wahrgenommen. Aber den genauen medizinischen Hintergrund habe ich erst später verstanden."
Nichts Besonderes
Als etwas Besonderes habe er sich nie gefühlt: "Hätte ich es damals gewusst – dann vielleicht. Aber was soll heute daran besonders sein? IVF ist ja etwas Alltägliches geworden. Ich führe ein ganz normales Leben – abgesehen von dem Rummel zu den runden Geburtstagen. Die meisten meiner Freunde wissen überhaupt nichts von meiner Entstehungsgeschichte."
In Internetforen verwendet Zlatan, der heute an der Kassa einer großen Tankstelle arbeitet, gerne den Spitznamen "invitro" – oder "invitro 1982" – "das hört sich cool an, auch wenn es nur ,im Glas" bedeutet."
Allerdings, einen Unterschied zu anderen Menschen gebe es schon, sagt Zlatan lächelnd: "Ich weiß, dass ich hundertprozentig ein Wunschbaby war. Andere können das nur vermuten."
Interview: "Wir mussten uns vieles selbst basteln"
Der Reproduktionsmediziner Univ.-Prof. Wilfried Feichtinger , 61, leitet heute das Wunschbaby-Institut WIF.
KURIER: Wie ist es zu Zlatans Geburt gekommen?
Wilfried Feichtinger: Als im Juli 1978 in Großbritannien Louise Brown, das weltweit erste IVF-Baby, auf den Welt kam, sagten viele, die Forscher Patrick Steptoe und Robert Edwards (erhielt den Medizinnobelpreis 2010, Anm.) hätten geschwindelt. Ich hatte damals eine Assistentenstelle an der Zweiten Frauenklinik im Wiener AKH und war immer überzeugt, dass ihre Aussagen stimmen. Und dann hat der KURIER mein Leben verändert: Im Dezember 1978 erschien ein Artikel, wonach Steptoe und Edwards im Jänner 1979 im Royal College in London erstmals alle Daten zu ihrer neuen Technik präsentieren. Daraufhin fragte ich meinen damaligen Chef, Univ.-Prof. Hugo Husslein, ob ich hinfahren darf. Er genehmigte es.
Und danach?
Habe ich die Daten in Wien an der Klinik präsentiert und das OK bekommen, mit meinen Kollegen Univ.-Doz. Peter Kemeter und Univ.-Prof. Stephan Szalay weitere Forschungen auf diesem Gebiet durchzuführen. 1980 besuchten wir in Australien die Forschergruppe, die als zweite eine IVF-Geburt bekannt gab. Zwei Jahre danach gelang auch uns – als sechstem Land weltweit – der Durchbruch. Nach meiner Schätzung war Zlatan damals ungefähr das 25. IVF-Baby weltweit.
Wie war damals Ihre technische Ausstattung?
Wir mussten uns vieles selbst basteln – etwa den Katheter, mit dem wir die befruchteten Eizellen in die Gebärmutter einsetzten.
Was hat sich verändert?
Damals mussten den Frauen die Eizellen durch einen operativen Eingriff mit Vollnarkose – eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) – entnommen werden. Wir haben mit der Firma Kretztechnik in Zipf, OÖ, den weltweit ersten Prototypen eines Ultraschallgerätes entwickelt , das die einfachere Eizellentnahme durch die Scheide ermöglichte. Anfang der 90er-Jahre kam dann die ICSI-Methode (siehe li.) . Sie ermöglichte eine IVF nicht nur bei verschlossenen Eileitern der Frau, sondern auch bei schlechter Spermienqualität des Mannes. Die Zukunft sehe ich persönlich in der viel diskutierten Präimplantationsdiagnostik – der genetischen Untersuchung der befruchteten Eizellen vor dem Einpflanzen.
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