Wissen/Gesundheit/Gesund

Nocebo-Effekt: Die richtigen Worte finden

Einen Betablocker bekamen alle der 96 Studienteilnehmer mit Herzgefäßerkrankung verschrieben. Eine Gruppe erhielt aber davor vom Arzt gar keine Angaben über das Medikament und mögliche Nebenwirkungen – in dieser Gruppe klagten anschließend lediglich drei Prozent über eine Beeinträchtigung ihrer Sexualität. Die zweite Gruppe wurde relativ allgemein über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt – 16 Prozent berichteten anschließend über subjektiv negative Auswirkungen auf die Sexualität. Doch in der dritten Gruppe, die genau auf diese mögliche Begleiterscheinung hingewiesen wurden, gab es nach der Einnahme sogar 32 Prozent mit „sexueller Dysfunktion".

„Die Art und Weise, wie ein Arzt Patienten aufklärt, kann – gemeinsam mit der Erwartungshaltung des Patienten – erhebliche positive wie auch negative Auswirkungen auf den Verlauf einer Behandlung haben", sagt der deutsche Mediziner Winfried Häuser vom Klinikum Saarbrücken. Er hat in einer Übersichtsarbeit alle verfügbaren Daten zu dem Thema zusammengestellt. Während die positive Seite – der Placeboeffekt – schon relativ gut untersucht ist, „ist das Wissen um die negativen Folgen – den Noceboeffekt – noch sehr gering".

Häuser gibt ein Beispiel: Bei einer Patientengruppe wurde eine Lokalanästhesie neutral mit den Worten „Wir werden jetzt diesen Bereich taub machen, damit es für sie angenehm ist" angekündigt. Der anderen wurde gesagt: „Sie werden jetzt einen Stich und ein Brennen am Rücken spüren." Bei einer anschließenden Befragung gab die zweite Gruppe die empfundene Schmerzintensität auf einer Skala als deutlich stärker an – eine Folge der negativen Suggestion.

„Leider ist der Alltag von Ärzten – und von Pflegepersonal – nach wie vor durch diese unbeabsichtigte negative Beeinflussung geprägt", sagt Häuser. Beispiele dafür hat er auf einem Ärztekongress unter Kollegen gesammelt (siehe unten).

Therapieabbruch

„Es kann durch eine solche Beeinflussung zwar zu keinen Magengeschwüren oder Nierenschädigungen kommen. Es handelt sich immer um subjektiv empfundene Beschwerden, wie Bauchschmerz, Übelkeit oder Schwindel. Aber gerade das sind die häufigsten Ursachen, weshalb Patienten eine Therapie abbrechen."

Ärzte sind grundsätzlich zur Aufklärung über eine Behandlung und ihre Nebenwirkungen verpflichtet, betont Häuser: „Aber es kommt auf das Wie an. Ich kann sagen, ,die meisten Patienten vertragen dieses Medikament sehr gut` statt ,fünf Prozent berichten über Nebenwirkungen`."

Patienten nicht aufzuklären sei keine Lösung, betont Häuser: „Aber ich beziehe sie aktiv ein. Ich sage, dass bei ihrem Medikament bestimmte, subjektiv sehr unterschiedlich empfundene Nebenwirkungen vorübergehend auftreten können. Und dass sie jetzt den ganzen Beipacktext lesen können oder es mir überlassen, mit ihnen nur jene Nebenwirkungen ausführlicher zu behandeln, von denen ich glaube, dass sie für sie auch tatsächlich wichtig sind."

Was Ärzte lieber nicht sagen sollten

Auslösen von Verunsicherung
„Vielleicht hilft dieses Medikament"
„Probieren wir einmal dieses Mittel"
„Versuchen Sie, Ihre Medikamente regelmäßig zu nehmen"

Fachjargon
„Wir verkabeln Sie jetzt" (Anschließen an das Überwachungsgerät)
„Dann schneiden wir Sie in ganz viele dünne Scheiben" (CT, Computertomografie)
„Wir hängen Sie jetzt an die künstliche Nase" (Atemhilfe über Atemmaske)
„Wir haben nach Metastasen gesucht – der Befund war negativ" (was aber bedeutet, dass keine Metastasen gefunden wurden)

Doppeldeutige Worte
„Dann machen wir Sie jetzt fertig" (Vorbereitung zur Operation)
„Jetzt schläfern wir Sie ein, gleich ist alles vorbei" (Narkoseeinleitung)
„Ich hole noch etwas aus dem Giftschrank" (Betäubungsmittel-Fach)

Negative Suggestion (Beeinflussung)
„Sie sind ein Risikopatient"
„Das tut schon immer höllisch weh"
„Sie sollten nichts Schweres mehr heben, nicht, dass Sie am Schluss noch gelähmt sind"
„Ihr Rückenmarkskanal ist stark eingeengt. Das Rückenmark wird abgequetscht"

Aufmerksamkeit auf Nebenwirkungen
„Ist Ihnen übel?" (im Aufwachraum)
„Rühren Sie sich, wenn Sie Schmerzen haben"

Unwirksame Verneinung / Verkleinerung
„Sie brauchen jetzt keine Angst zu haben"

Info: Was der Noceboeffekt ist

Placeboeffekt (placebo lat. "ich werde gefallen") Positive Auswirkungen ärztlicher Kommunikation und eigener Erwartungen in Behandlungen, die nicht durch ein Medikament oder eine Operation verursacht werden.

Noceboeffekt (nocebo lat. "ich werde schaden") Alle negativen Auswirkungen einer Behandlung, die durch unbeabsichtigte Suggestion (Beeinflussung) des Patienten durch den Arzt und / oder durch negative Erwartungen ausgelöst werden.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Kommentar