Die Heilkraft des Waldes
Der Geruch von Harz, feuchter Erde und frischem Moos – wer im Wald einen tiefen Atemzug tut, entspannt sich spürbar. Ein Waldspaziergang fühlt sich aber nicht nur erholsam an, er wirkt tatsächlich auf die Gesundheit: Der Blutdruck sinkt, die Lungenkapazität und Elastizität der Arterien nehmen zu. Der Holzbauunternehmer Erwin Thoma weiß, warum: "Die Bäume und ihr Holz können den Dauerstress, dem wir oft ausgesetzt sind, ausgleichen. Wenn wir uns mit Holz umgeben, stellt der Körper messbar auf Erholung um."
In einem neuen Buch, das er gemeinsam mit dem Mediziner Maximilian Moser geschrieben hat, führt er gesundheitliches Wissen über Bäume und ihre Produkte mit wissenschaftlichen Studien zusammen. Obwohl die Heilkraft des Waldes seit Jahrhunderten in der Volksmedizin bekannt ist, wird sie oft als Esoterik belächelt. Erst in den vergangenen Jahren ist ein Umdenken zu bemerken – auch, weil immer mehr Untersuchungen die verschiedenen Wirkungen belegen.
Herzfrequenz sinkt
So zeigt etwa eine Grazer Studie, dass Menschen in einem Zirbenholzbett nicht nur besser schlafen, sondern sich ihre Herzfrequenz um 3500 Schläge pro Tag verringert. Eine weitere Studie in Schulklassen bestätigt den Effekt: Zwei Klassenzimmer wurden mit einer Kombination aus Zirben-, Tannen-, Fichten- und Eichenholz ausgestattet, zwei blieben unverändert. Bei jenen Kindern, die ihre Schultage in einer der "Holzklassen" verbrachten, sank die Herzfrequenz um 8600 Schläge täglich, sie waren ruhiger und fühlten sich weniger überlastet. "Die Leistung des Vagustonus, des Entspannungsnervs im Organismus, stieg bei den Schülern in der Holzklasse signifikant an. Das trägt zur Hemmung von Entzündungen im Körper bei", sagt Univ.-Prof. Maximilian Moser, Physiologe an der Medizinischen Uni Graz und Co-Autor des Buches.
Die Effekte nahmen über das Schuljahr zu und führten sogar dazu, dass die Schüler auch in den Ferien entspannter waren als ihre Kollegen aus der Parallelklasse. "In einem Haus aus Naturmaterialien erspart man sich pro Tag sozusagen zwei Stunden Herzarbeit. Wer also mit Holz wohnt und idealerweise auch am Arbeitsplatz damit umgeben ist, könnte sein Leben verlängern", meint Thoma.
Neben Holz können auch Salben, Säfte, Tropfen, Inhalation und Badezusätze aus Bäumen gewonnen und zur Waldapotheke für zu Hause werden. So kann eine Salbe aus Lärchenharz etwa bei Hautwunden helfen, ein Lindenblütentee Erkältungen lindern, ein Aufguss aus Eichenrinde Hautprobleme bessern und Birkenlaub die Zellerneuerung aktivieren.
Ätherische Öle
Eine Ursache für diese Effekte sind die ätherischen Öle des Holzes. Sie wirken nicht nur beruhigend, sondern auch antimikrobiell. Schon im Baum wehren sie schädigende Einflüsse wie Pilze, Bakterien und Viren ab. Moser: "Die natürliche Kombination der ätherischen Öle ist wesentlich besser als die einzelnen Öle. Isoliert oder synthetisch nachgebaut sind sie nicht so wirksam."
Die Effekte einiger Baumprodukte machen sich mittlerweile auch manche Medikamente zunutze. In der Apotheke erhältliche Rindenpräparate können zum Beispiel bei Diabetes und Entzündungen der Bauchspeicheldrüse helfen, Mistelextrakte gelten als anerkannte Begleitmedikation zu Chemotherapien. "Es geht gar nicht um einen Wettbewerb der Waldapotheke mit der Schulmedizin, vielmehr kann sie eine wertvolle Ergänzung sein", meint Thoma.
Der Holzunternehmer und der Mediziner sammelten neben positiven Effekten von Holz auf die Gesundheit auch Rezepte für eine Waldapotheke.