Wodurch wird Krebs ausgelöst?
Es waren manche Schlagzeilen, die in den vergangenen Wochen für Diskussionen unter Krebsexperten und Verunsicherung unter Patienten sorgten: "Neun von zehn Krebserkrankungen verursacht durch den Lebensstil", hieß es etwa in britischen Medien. Diese bezogen sich dabei auf eine Studie der New Yorker Stony Brook University: Nur 10 bis 30 Prozent der Krebserkrankungen seien auf unbeeinflussbare Fehler bei der Zellteilung zurückzuführen – 70 bis 90 Prozent hingegen auf äußere Faktoren, wie Rauchen, hoher Alkoholkonsum, UV-Strahlung oder Luftverschmutzung. Solche äußeren Faktoren hätten einen größeren Einfluss auf die Krebsentstehung als bisher gedacht.
"Falsche Sichtweise"
"Man kann auf keinen Fall sagen, dass Krebs in neun von zehn Fällen selbst verschuldet ist, das wäre eine völlig falsche Sichtweise", sagt die Krebsspezialistin Univ.-Prof. Irene Kührer von der MedUni Wien. Denn man müsse die äußeren Faktoren in beeinflussbare (z. B. Rauchen, Ernährung, Gewicht, manche Virusinfektionen, gegen die es Impfungen gibt, wie Hepatitis B oder HPV) und nicht-beeinflussbare (Umweltverschmutzung, Schadstoffe, bestimmte Chemikalien) unterteilen.
"Und dann kommt man wie schon bisher zur Aussage, dass rund sechs von zehn Krebserkrankungen durch das eigene Verhalten beeinflussbar sind, vier hingegen nicht. Alles andere sind theoretische Rechenmodelle."
"Bad luck"?
Umstritten war auch eine vor einem Jahr veröffentlichte Studie, die ziemlich das Gegenteil der aktuelle Untersuchung behauptete: Demnach wären zwei Drittel aller Krebserkrankungen Zufall bzw. "bad luck", also Pech – und nur durch Fehler bei der Zellteilung zu erklären. Und je mehr Zellteilungen es in einem bestimmten Gewebetyp gebe, umso höher das Krebsrisiko. "Der Mensch erneuert sich permanent", erklärt Kührer. "Und bei der Teilung einer Zelle kann von innen heraus – ohne äußeren Einfluss – ein Fehler bei der Verdopplung des Erbmaterials auftreten."
Dass jedoch die große Mehrheit der Erkrankungen auf diese Weise ausgelöst wird – dieser Sichtweise widersprach sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO): "Die Mehrheit der Fälle der weltweit häufigsten Krebserkrankungen steht in enger Beziehung zu Umwelt- und Lebensstilfaktoren."
Berechnungen nicht exakt
Wie groß dieser Anteil tatsächlich ist – ganz genau lässt sich das nicht sagen, so Statistiker: Dazu sind die Modelle für die Krebsentstehung nicht exakt genug – deshalb seien alle Prozentsätze nur ungefähre Schätzungen. Emma Smith von der Organisation Cancer Research in Großbritannien: "Wer nicht raucht, wenig Alkohol trinkt, kein Übergewicht hat und sich ausgewogen ernährt, der senkt sein Krebsrisiko – aber eine Garantie, keinen Krebs zu bekommen, ist es nicht."
Infografik: Wie hoch ist das Risiko, an Krebs zu erkranken - und daran zu versterben?
Die jeweils linke Spalte gibt an: Einer von ... Männern bzw. eine von .... Frauen wird an der jeweiligen Erkrankung versterben. Die rechte Spalte zeigt: Einer von ... Männern bzw. eine von ... Frauen wird die jeweilige Erkrankung im Laufe ihres Lebens bekommen.