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Was Eltern in der Erziehung falsch machen können

Was sind die Voraussetzungen einer gesunden Entwicklung eines Kindes? Wie können die Schwierigkeiten des Lebens bewältigt werden?

"Widerstandsfähigkeit – Resilienz – aufzubauen gelingt nur, wenn man zu sich selbst als Person stehen kann – und nicht ständig von der Umwelt in eine andere als die eigene Rolle gedrängt wird", sagt der Kinderpsychiater Univ.-Prof. Andreas Karwautz von der Uni-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der MedUni Wien. Er ist einer der Organisatoren eines Symposiums zum Thema "Kindeswohl – Gelingen und Misslingen von Entwicklung".

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Doch oft werde es dem Kind nicht ermöglicht, die eigene Rolle zu finden: "Wir erleben es so oft, dass Eltern Kindern ihre Geschichte umhängen – ihre eigenen Ängste, Sorgen, ihr eigenes Weltbild –, und es ihnen dadurch erschweren bis verunmöglichen, ihren eigenen Weg zu gehen."

"Nicht ihr Weg"

Karwautz berichtet etwa von einer Patientin, deren Vater – "durchaus auf eine vordergründig liebevolle Art, aber trotzdem mit Druck" – seine Tochter zu sportlichen Höchstleistungen angespornt hat. "Natürlich wollte die Tochter seinen Ansprüchen genügen und ihn nicht enttäuschen – aber es war nicht ihr Weg, nicht ihr innerer Wunsch, und deshalb ist sie in eine gewaltige Lebenskrise hineingerutscht."

Wenn Kinder in solchen Situationen merken, sie können nicht die Erwartungen der Eltern erfüllen , werde das für sie zu "einer Last, die sie ewig mit sich herumtragen: Sie bekommen das Gefühl, ,ich bin nicht gut genug‘– und das kann der Auslöser schwerer Krisen werden."

"Umgehängt"

Oder wenn Kindern schlechte Erfahrungen aus eigenen Beziehungen so vermittelt werden, als sei dies der Regelfall: "Wenn eine geschiedene Mutter sagt, ,Männer sind furchtbar‘, erschwert das den Kindern, eigene Erfahrungen zu machen. Aber das passiert immer wieder."

Eltern sollten ihren Kindern natürlich von ihren Erfahrungen, ihren Gefühlen, ihren Werten erzählen: "Aber es sollte immer reflektiert sein: Sie müssen ihnen vermitteln: ,Das waren meine Erfahrungen, das war meine Geschichte – aber du musst deine eigenen machen, und die können ganz anders sein‘."

Kinder werden oft nicht so wahrgenommen, wie sie wirklich sein wollen: "Es wird ihnen das umgehängt, was andere als gut für sie empfinden. Aber oft interessiert sich niemand dafür, was tief in ihnen drinnen ist, was aus ihnen selbst kommt. Aber das ist das Entscheidende für eine gesunde Entwicklung."

Druck durch Perfektionsstreben

Viele Eltern würden sich auch dem Druck aussetzen, "alles perfekt machen zu müssen – und machen aber damit nur sich und ihre Kinder kaputt". Das Symposium wird von Psychiatern und Theologen organisiert – Karwautz bringt ein Beispiel, welche Rolle theologische Aspekte in der Psychiatrie spielen können: "In vielen Religionen wird ein Mensch bei der Aufnahme einfach so angenommen wie er ist – ohne, dass er etwas leisten muss." Etwa bei der Taufe: "Dafür muss man nicht Vorstellungen anderer erfüllen – es ist gut so, wie man ist – und es geht nur um einen selbst. Leistungsdenken konterkariert die Taufe per se."

Für die Erziehung bedeute das: "Der Mensch ist nicht für andere da, sondern zuerst einmal für sich. Erst wenn ich für mich so sein darf, wie ich bin, kann ich mich auch anderen Menschen zuwenden und erfolgreich Aufgaben übernehmen, die über mich hinausgehen."

Die Details zu der Tagung

"Kindeswohl: Gelingen und Misslingen von Entwicklung" lautet der Titel des von Kinderpsychiatern und Theologen organisierten Symposiums "Psychiatrie und Seelsorge".

6.11. (9 bis 19 Uhr) und 7.11. (9-12 Uhr), Don Bosco Haus, 1130 Wien, St. Veitgasse 25.

Am 6.11. findet um 19 Uhr eine Lesung von Michael Köhlmeier aus seinem neuen Buch "Das Mädchen mit dem Fingerhut" statt.

Programm: www. karwautz.at.

Nähere Informationen: Prim. Peter Langer, Otto-Wagner-Spital, eMail: p.langer@wienkav.at.