Hoch-Zeit der Glückshormone
Von Ernst Mauritz
Ein Viertel der Österreicher leidet unter Frühjahrsmüdigkeit" – "Zeitumstellung mit gravierenden gesundheitlichen Folgen": Wenn der Schlafmediziner Univ.-Prof. Manfred Walzl, Vorstand der Schlafmedizin an der Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz, solche Zeitungsschlagzeilen sieht, wird er skeptisch: "Natürlich kann die hormonelle Umstellung im Frühjahr ein wenig müde machen – aber man darf das nicht überbewerten. Insgesamt überwiegen die positiven Effekte von Licht und Sonne auf den Körper bei Weitem." Die Frühjahrsmüdigkeit werde oft übertrieben negativ dargestellt. Je nach Umfrage schwankt auch die Zahl der Betroffenen enorm: Von rund fünf bis mehr als 50 Prozent der Bevölkerung. Walzl: "Harte Zahlen gibt es keine." Der Neurologe betont, dass es sich um keine Krankheit, sondern lediglich um eine Befindlichkeitsstörung handelt.
Glückshormon
Das Sonnenlicht trifft auf die Netzhaut der Augen und wirkt über Nervenbahnen auf den Hypothalamus, eine wichtige "Schaltzentrale" unseres Gehirns. "Sie steuert auch den Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Produktion des Schlafhormons Melatonin wird gedrosselt, das Glückshormon Serotonin hingegen hochgefahren." Gleichzeitig werden mehr weibliche und männliche Sexualhormone produziert: "Der Körper ist ein Gewohnheitstier, deshalb kann diese Hormonumstellung empfindliche Menschen vorübergehend belasten."
Zum Teil sei es aber auch eine Einstellungssache: "Je mehr man hineininterpretiert, umso müder fühlt man sich." Ähnlich verhalte es sich auch mit der Zeitumstellung: "Es gibt keine fundierte Studie, die negative Auswirkungen dieses Mini-Jetlags auf den Körper belegen würde." Und auch Statistiken, wonach es durch die Frühjahrsmüdigkeit zu mehr Unfällen komme, seien mit Vorsicht zu genießen: "In der warmen Jahreszeit sind zum Beispiel deutlich mehr Rad- und Motorradfahrer unterwegs."
In beiden Fällen sei viel frische Luft und Licht die beste Therapie: "Wir müssen wieder mehr mit der Natur leben. Jede Art von Bewegung aktiviert den Kreislauf, versorgt das Hirn mit Sauerstoff und vertreibt die Frühjahrsmüdigkeit."
Auch der Konsum von frischem Gemüse – z. B. Jungzwiebel, Radieschen, Salat – helfe gegen die Frühjahrsmüdigkeit: "Viele Menschen essen im Winter sehr fett- und kohlenhydratreich. Gerade jetzt in der hormonellen Umstellungsphase ist aber eine ausreichende Vitaminversorgung sehr wichtig."
Schlafschule
Echte Probleme mit Müdigkeit und Schlaf gebe es in einem ganz anderen Bereich: "Bereits 40 Prozent der Mitarbeiter im mittleren Management haben in der Nacht auf Montag Schwierigkeiten durchzuschlafen – aus Angst vor der neuen Woche. Generell nehmen durch beruflichen Druck Schlafstörungen zu." Um solche gravierenden Probleme wieder in den Griff zu bekommen, hat Walzl in Pörtschach, Kärnten, "Werzer’s Schlafschule" ins Leben gerufen: "Frühjahrsmüdigkeit war bei uns aber noch nie ein Thema."