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Grundwasser: Die natürliche Filteranlage ist in Gefahr

Bedrohtes Ökosystem. Wer an Grundwasser denkt, der denkt meist nicht daran, dass unter der Erde ein Biotop für Tausende Tiere existiert. Es sind vor allem Mikroorganismen, aber auch kleine Tiere wie Krebse, Würmer oder Grottenolme, die dieses Biotop bevölkern. Der Wiener Christian Griebler ist Grundwasserökologe und beschäftigt sich mit diesen Lebensgemeinschaften: „Es ist ein sehr spezielles Ökosystem, von dem die meisten Menschen nicht wissen, dass es überhaupt existiert.“

Dabei ist dieses Biotop von großer Bedeutung für unseren Alltag: „Die Aktivität der Mikroorganismen sind Voraussetzung dafür, dass wir sauberes Trinkwasser haben. In weiten Gebieten Österreichs und Süddeutschlands kann Grundwasser z. B. nach wie vor als Trinkwasser genutzt werden, ohne dass man es technisch aufbereiten muss“, erklärt Griebler, der das Institut für Grundwasserökologie am Helmholtz Zentrum München leitet.

Eisen schmeckt nicht

In anderen Teilen Europas ist das nicht selbstverständlich: Sauerstoffzehrende Bedingungen, die auf die Geologie zurückzuführen sind, führen dazu, dass sich Eisen und andere Mineralien im Grundwasser anreichern. Das ist zwar nicht unbedingt gesundheitsschädlich, aber das Wasser schmeckt eben nicht. Davon abgesehen werden unsere Grundwasserreserven mit einer zunehmenden Zahl von Schadstoffen verschmutzt. „Leider können die Mikroorganismen nicht alles abbauen, was ins Grundwasser sickert“, sagt Griebler. „Früher waren es vor allem Schadstoffe aus Altlasten und Nitrat, die das Wasser verunreinigten. Das Nitratproblem ist geblieben. Dazu kommen neue Problemstoffe wie Pestizide, Pharmazeutika oder Mikroplastik, die großflächig aus der Landwirtschaft oder über den Abwasserpfad eingetragen werden und das Ökosystem belasten.“

Geringe Widerstandskraft

Das Problem: Das Ökosystem Grundwasser ist sehr energiearm – es hat folglich auch eine geringe Widerstandskraft gegen Störungen, wie sie durch manche Schadstoffe ausgelöst werden. Es klingt absurd, aber viele der ,neuen’ Schadstoffe werden biologisch nicht abgebaut, weil ihre Konzentration im Grundwasser noch zu gering ist. Auch Mikroorganismen handeln ökonomisch und Prozesse müssen sich energetisch lohnen. Zudem sind viele der neuen Schadstoffe bewusst stabil oder kaum abbaubar (z.B. Röntgenkontrastmittel, künstliche Süßstoffe). „Das ist eine Herausforderung für die mikrobiellen Gemeinschaften im Grundwasser.“

Teure Wiederaufbereitung

Das hat wirtschaftliche Folgen: „Können wir zukünftig auf diese Ökosystemleistung, dass sich das Wasser auf natürliche Weise reinigt, nicht mehr im vollen Umfang zurückgreifen, heißt das, dass wir das Wasser teuer aufbereiten müssen.“ Für die Zukunft bedeutet das: „Wir müssen uns in Österreich weniger Sorgen um die Quantität, son dern viel mehr um die Qualität des Grundwassers machen. Diese ist nahezu flächendeckend durch den Menschen beeinflusst“, sagt der Grundwasserökologe.

100 Millionen chemische Substanzen

Wie gefährdet die Wasserqualität ist, macht diese Zahl deutlich: Mehr als 100 Millionen chemischer Substanzen sind heute registriert – viele davon werden in großen Mengen produziert und gehandelt. Nur logisch, dass sie früher oder später auch im Grundwasser ankommen. Das Problem: Man läuft den neuen Schadstoffen sprichwörtlich hinterher. „Es dauert oft Jahre bis solche Stoffe erstmals entdeckt werden und wir in der Lage sind, deren Ausbreitung mit empfindlichen, sich ständig weiter entwickelnden, modernen analytischen Methoden zu überwachen. Die zeitliche Verzögerung zwischen der Verschmutzung und dem Erkennen des Problems verhindert oft ein rasches Gegensteuern. Einmal verschmutzt, hat Grundwasser ein langes Gedächtnis“, weiß der Ökologe.

In der Praxis bedeutet das: „Auch in unserem sauberen Trinkwasser gibt es bereits Stoffe, die da eigentlich nicht sein sollten.“ Leitungswasser trinkt Griebler dennoch – und zwar ausschließlich: „Leitungswasser ist in Österreich immer noch besser als jedes Wasser aus einer Plastikflasche, das Sie nach Hause tragen.“