Wissen/Gesundheit

Wieso Deutschland die Kinderimpfung nur bei Vorerkrankungen empfiehlt

Vor knapp zwei Wochen hat die europäische Arzneimittelbehörde EMA den Impfstoff von Biontech/Pfizer für die Gruppe der 12- bis 15-Jährigen zugelassen. Kurz darauf empfahl auch das Nationale Impfgremium (NIG) in Österreich die Impfung der vorerst jüngsten Altersgruppe mit dem Mittel. 

In Deutschland gab die zuständige Ständige Impfkommission (Stiko)  erst am  Donnerstag eine Empfehlung für 12 bis 17-Jährige ab. Nur für Kinder und Jugendliche  mit bestimmten Vorerkrankungen oder engem Kontakt zu Risikogruppen gab es eine Empfehlung. Bei den Vorerkrankungen werden etwa eine schwere Herzinsuffizienz, chronische Lungenerkrankungen mit einer anhaltenden Einschränkung der Lungenfunktion oder Diabetes mellitus genannt. 

Eine generelle Empfehlung für diese Altersgruppe gab es nicht. Will man sich aber impfen lassen, ist das nach ärztliche Aufklärung und Risikoakzeptanz möglich, heißt es auf der Seite des Robert-Koch-Instituts (RKI). 

Aber wieso gehen Deutschland und Österreich hier unterschiedliche Wege? 

Nutzen versus Risiko

Als Hauptargument steht auf beiden Seiten das gleiche Bestreben. „Für uns steht ganz im Vordergrund, dass die Empfehlung wirklich den besten Gesundheitsinteressen der Kinder dient“, sagte Stiko-Chef Thomas Mertens im NDR-Podcast Coronavirus Update. Karl Zwiauer, Kinderarzt und NIG-Mitglied, sagt zum KURIER: „Kinder haben ein Grundrecht auf die bestmögliche Behandlung.“

Jeder solchen Empfehlung – in Österreich wie auch in Deutschland – liegt eine Analyse von Nutzen und Risiken zugrunde. Diesmal dürfte man wohl zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen. Das NIG beobachtete in Österreich auch bei infizierten Kindern „schwere Krankheitsverläufe wie ein Multisystem-Inflammationssyndrom“ (PIMS) mit einer Häufigkeit von 1:500 bis zu 1:1.000. Symptome sind u. a. hohes Fieber, Bauchschmerzen, Durchfall. Außerdem würden sich Hinweise mehren, dass auch Kinder und Jugendliche mit mildem oder symptomlosen Verlauf an Long Covid leiden könnten.

Mertens hingegen sagt: „Das Risiko für PIMS ist gering. Die Prognose ist gut. In diesem Zusammenhang glauben wir auch, dass PIMS jetzt nicht die klare Indikation für die Impfung aller gesunden Kinder darstellt.“

Datenlage

Die Datenlage in Deutschland kann man im NIG nicht beurteilen: „Wir haben unsere eigenen Daten, haben diese analysiert und dabei gesehen, dass die Krankheitslast beträchtlich hoch ist. Und wir wollen Kinder nicht schlechter versorgen als Erwachsene. Damit ist die Entscheidung sehr klar und eindeutig gewesen“, hält Zwiauer fest. Auch die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde stellte sich hinter diese Entscheidung. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Stiko eine andere Empfehlung ausspricht als das NIG. Das gab es auch schon in der Vergangenheit immer wieder“, so Zwiauer.

Der bekannte Berliner Virologe Christian Drosten gab in einem Interview mit dem Schweizer Magazin Republik zuletzt zu denken, es gebe noch Unklarheiten, wie die Erkrankung Kinder trifft, sagte aber auch: „Aus Elternperspektive wäre mein Kind geimpft. Klarer Fall. Dieses Risiko möchte ich nicht.“

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