Wissen/Gesundheit

Wie das Immunsystem in der Schwangerschaft funktioniert

Wie es der weibliche Körper schafft, ein gesundes Baby zur Welt zu bringen, ist eine spannende Frage der Evolution. Nun ist ein internationales Forscherteam der Antwort ein Stück näher gekommen. Der Thymus, eine Drüse des lymphatischen Systems, die hinter dem Brustbein sitzt, spielt dabei eine Rolle.

Wissenschaftler unter Beteiligung des Instituts für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften IMBA fanden heraus, dass der bekannte Signalweg RANK/L während der Schwangerschaft auch dazu beiträgt, den Thymus über weibliche Hormone neu zu "verdrahten". Die Folge: Das Immunsystem der Mutter stößt das Baby nicht ab; gleichzeitig steuert es den Stoffwechsel der werdenden Mutter. Die überraschende Erkenntnis ist im Fachmagazin Nature veröffentlicht.

Geheimnis seit Jahrhunderten

Schon die alten Ägypter beschäftigten sich mit dem Geheimnis gesunder Schwangerschaften, wie Jahrtausend alte Hieroglyphen illustrieren. Neben der Plazenta wurde in diesen antiken Abbildungen auch der Thymus als für eine gesunde Schwangerschaft wichtiges Organ dargestellt. Welche biologischen Mechanismen dafür verantwortlich sind, war bis dato jedoch nicht bekannt.

Wechselwirkungen

Während aus einer befruchteten Eizelle ein neuer Organismus heranwächst, wird das Immunsystem der werdenden Mutter auf die Probe gestellt, denn es darf das heranwachsende Baby nicht als Fremdkörper bekämpfen und muss trotzdem für eine gesunde Immunabwehr der Mutter sorgen. Die Thymusdrüse ist ein zentrales Organ des Immunsystems, in der auch eine wichtige Untergruppe von T-Zellen - als regulatorische T-Zelle oder Treg bezeichnet - produziert wird. Die Hauptfunktion einer Treg-Zelle besteht darin, andere Immunzellen zu steuern. Während der Schwangerschaft wirken auch Hormone auf die Thymusdrüse, was sich wiederum auf das Immunsystem auswirkt. 

Arbeit am Mausmodell

In der aktuellen Studie berichtet ein Team um Josef Penninger, dass RANK/L auch im Thymus wirkt und das Immunsystem während der Schwangerschaft beeinflusst. Die Forscher arbeiteten mit einem Mausmodell, bei dem RANK im Thymus deaktiviert war. „Fehlt das Protein RANK im Thymus, konnten weniger Treg Zellen gebildet werden. Dies führte aber auch zu weniger Tregs in der Plazenta, was in einer erhöhten Fehlgeburtenrate resultiert", erklärt Erstautorin Magdalena Paolino.

Auch im Fettgewebe Unterschiede

Zudem zeigt die aktuelle Studie, dass bei normalen Schwangerschaften die produzierten Tregs auch in das Fettgewebe der Mutter wandern, um Entzündungen zu verhindern und die Kontrolle des Glukosespiegels im Körper zu unterstützen. „Schwangere Mäuse ohne RANK hatten einen hohen Glukose- und Insulinspiegel im Blut und ähnlich wie die Babys von Frauen mit Gestationsdiabetes waren die neugeborenen Mäuse viel schwerer als der Durchschnitt", ergänzt Magdalena Paolino.

Tregs beeinflussen die Gesundheit ein Leben lang

Darüber hinaus fanden die Forscher, dass ein Mangel an Tregs während der Schwangerschaft nachweislich langanhaltende Auswirkungen auf die Nachkommen hatte, die ein Leben lang an Diabetes und Übergewicht litten. Erhielten die Mäuse, bei denen RANK deaktiviert war, Tregs, die aus dem Thymus bei normalen Schwangerschaften isoliert worden waren, konnten Fehlgeburten und erhöhter mütterlicher Glukosespiegels verhindert und auch das Körpergewicht der neugeborenen Mäuse normalisiert werden. Die Forscher analysierten dank Daten der Meduni Wien auch Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes, wobei sie eine verminderte Anzahl von Tregs in ihrer Plazenta feststellten, ähnlich wie bei der Studie an Mäusen. 

Zur Therapie von Brustkrebs

Das Wissen über die Signalweg lassen sich auch für die Behandlung von Krebs nutzen, denn RANK/L kann - verstärkt durch Sexualhormone und bestimmte Mutationen - das Risiko für Brustkrebs antreiben. Fazit der Forscher: „Es ist aufregend, dass wir nun eine vollkommen neue Funktion von RANK/L im Thymus gefunden haben. Das Faszinierende daran ist, dass dieses System von Sexualhormonen gesteuert wird, um den weiblichen Körper optimal an die komplexen biologischen Herausforderungen der Schwangerschaft und Stillzeit anzupassen. Außerdem haben wir dabei eine völlig neue Funktion des Thymus entdeckt – dieses Organ reguliert nicht nur Immunität, sonders ist auch für einen gesunden Stoffwechsel in der Schwangerschaft verantwortlich.“