Sind die Affenpocken eine „Notlage von internationaler Tragweite“?
Die Affenpocken haben sich in kurzer Zeit rund um den Erdball ausgebreitet. Weltweit sind mehr als 15.000 Menschen daran erkrankt. Deshalb hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Notfall-Ausschuss für Donnerstag erneut einberufen. Ist die Lage so gefährlich, dass er das Ausrufen einer „Notlage von internationaler Tragweite“ empfiehlt?
Experten beurteilen öffentliche Gesundheit
Die WHO will, dass ausgewiesene Experten auf dem Fachgebiet beurteilen, ob die öffentliche Gesundheit in größerem Umfang bedroht ist. Die WHO ist über die Häufung der gemeldeten Fälle besorgt. Die US-Gesundheitsbehörde CDC zählt für dieses Jahr schon mehr als 15.000 Fälle in Ländern, in denen das Virus bislang praktisch unbekannt war. Nur in Afrika gab es zuvor einige Länder, die immer mal Affenpocken-Ausbrüche meldeten, dort waren es mit Stand 20. Juli 2022 laut CDC über 240 gemeldete Fälle. „Wir wollen nicht warten, bis die Situation außer Kontrolle geraten ist“, sagte WHO-Spezialist Ibrahima Socé Fall, als der Ausschuss im Juni das erste Mal einberufen wurde.
Zunächst abwartende Haltung
Sie stellten zwar einen „Notfall-Charakter der Situation“ fest, fanden aber, dass mehr Informationen etwa über die Infektionswege und die Symptome der Krankheit nötig seien, um zu beurteilen, ob es sich um eine „Notlage internationaler Tragweite“ handelt. Außerdem hielten sie fest, dass die Fallzahlen in manchen Ländern ein Plateau erreicht hätten oder möglicherweise fielen.
Empfehlung zur Beobachtung
Die Erklärung einer Notlage - PHEIC - Public Health Emergency of International Concern - ist die höchste Alarmstufe, die die WHO zünden kann. Unmittelbare Auswirkungen hat das nicht. Vielmehr soll dies die Aufmerksamkeit der 194 Mitgliedsländer erhöhen. Der Expertenrat kann empfehlen, dass Kliniken und Praxen nach Fällen Ausschau halten und mit Aufklärung dafür sorgen sollen, dass sich möglichst wenig Menschen anstecken. Der Rat begutachtet auch das Risiko einer internationalen Ausbreitung und Risiken für den Reiseverkehr. Welche Schlüsse Regierungen daraus ziehen, bleibt ihnen selbst überlassen.
Übertragung und Risikogruppen
Affenpocken werden nach bisherigem Kenntnisstand hauptsächlich durch engen Körperkontakt von Mensch zu Mensch übertragen. Nach WHO-Angaben sind der weitaus größte Teil der Betroffenen Männer bis 65 Jahre, die Sex mit Männern haben. Generell kann sich aber jeder infizieren, der engen körperlichen Kontakt mit Infizierten hat.
Keine schweren Krankheitsverläufe
Einiges spricht gegen die Erklärung einer globalen Notlage.: Die Infektionszahlen steigen nicht explosiv, weil die Übertragung nach jetzigem Kenntnisstand deutlich schwieriger ist als bei Corona. Bislang wurden praktisch keine schweren und tödlichen Krankheitsverläufe beobachtet. Es gibt auch bereits einen Impfstoff. Der wurde gegen Menschenpocken entwickelt, ist aber auch gegen Affenpocken wirksam. Dafür spricht: Das Virus verhält sich anders als bislang bekannt war. Affenpocken sind eigentlich eine Krankheit bei Nagetieren in West- und Zentralafrika. Vereinzelt springen sie dort auf Affen und auf Menschen über. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist bei engem Kontakt möglich. Neu ist die Ausbreitung in Europa und anderswo.
Kritik an WHO bei vergangenen Epidemien
Die WHO ist früher mehrfach kritisiert worden, weil sie zu spät auf Bedrohungen reagiert hat. Nach dem Ebola-Ausbruch in Westafrika 2013 hat sie erst im August 2014 mit Notfallmaßnahmen reagiert. Mehr als 11.000 Menschen kamen ums Leben. Auch bei Corona wurde ihr das vorgeworfen. Problem war aber mehr, dass sich viele Länder trotz aller WHO-Warnungen im Januar 2020 zu lange fälschlicherweise gut gewappnet fühlten. Die WHO hat inzwischen mehr als 560 Millionen Corona-Infektionen und mehr als 6,35 Millionen Todesfälle registriert. Sie geht von einer hohen Dunkelziffer aus.