Wissen/Gesundheit

Mit Hilfe von Big Data lassen sich Psychosen früh erkennen

Ärzte haben eine neue Methode entwickelt, um viele junge Menschen mit aufkommender Psychose zu erkennen. Sie nutzen dazu Big Data - also große Datenmengen, die  durch den Einsatz von großen Netzwerken entstehen, und in Schulen, Krankenhäusern und bei Allgemeinmedizinern gesammelt wurden.

Eine Psychose ist ein Zustand, bei dem man den Kontakt zur Realität verliert und an Halluzinationen oder Wahnvorstellungen leidet. Es gibt eine Vielzahl von möglichen Ursachen, darunter Flucht und sozialer Stress, Trauma oder Drogenmissbrauch. Das ist nicht nur für die Betroffene schlimm, sondern stellt auch eine enorme Belastung für die Gesundheitssystem dar. Man schätzt die Kosten in Europa auf rund 94 Milliarden Euro kostet (Schätzung 2011).

Früh stoppen

Die klinische Erfahrung hat gezeigt, dass der beste Weg zur Bewältigung dieser Belastung darin besteht, ihre Entwicklung zu stoppen. In den letzten 25 Jahren haben Ärzte Möglichkeiten entwickelt, junge Menschen mit einem Risiko, eine Psychose zu entwickeln, aufzuspüren und vorherzusagen, bei welchen jungen Menschen sich die Erkrankung entwickeln könnte. Die Mediziner konnten so Maßnahmen zur Risikominderung ergreifen. Die Art und Weise, wie Ärzte junge Menschen entdeckten, war jedoch nicht systematisch und hat möglicherweise viele Risikopersonen übersehen. Jetzt haben Ärzte im Vereinigten Königreich neue Methoden entwickelt, mit denen potenziell die meisten Menschen, die ein Risiko für die Entwicklung einer Psychose haben, erkannt werden können. Dies wiederum würde es ermöglichen, ihnen vorbeugende psychologische Hilfe anzubieten, die ihr Risiko, eine ausgewachsene Psychose zu entwickeln, halbieren kann.

Prävention

Der Forschungsleiter Professor Paolo Fusar-Poli vom Institut für Psychiatrie am renommierten King's College in London stellt fest: "Prävention ist der vielversprechendste Weg zur Verbesserung der psychischen Gesundheit junger Menschen. Die psychische Gesundheit dieser Generation steht besonders unter Stress, insbesondere angesichts der anhaltenden Sorge um Covid-19. Die Zukunft für diejenigen, die von Psychosen bedroht sind, besteht darin, einzugreifen, bevor die Störungen zuschlagen".

Aufzeichnungen durchforsten

"Wir haben eine sogenannte Data-Mining-Methode entwickelt, um medizinische Aufzeichnungen nach Personen zu durchsuchen, bei denen das Risiko besteht, eine Psychose zu entwickeln. Viele medizinische Aufzeichnungen sind ziemlich unstrukturiert, wobei Informationen zur psychischen Gesundheit in Abschnitten versteckt sind, die keine systematische Forschung erlauben. Unser Data-Mining-System führt eine umfassendere Suche in den Aufzeichnungen von Personen durch, die in ein Krankenhaus  überwiesen wurden, und sucht dabei nach Schlüsselwörtern wie Gewichtsverlust, Schlaflosigkeit, Kokain, Schuldgefühle usw. Wir können nach 14 verschiedenen Begriffen suchen, die wir dann hinsichtlich des Psychoserisikos bewerten. Zu diesem Zeitpunkt werden die Patienten möglicherweise zu einem Einzelgespräch eingeladen. Wir haben festgestellt, dass Prävention das Risiko der Entstehung einer Psychose halbieren kann".

Fast 100.000 Patientendaten ausgewertet

Die elektronischen Systeme haben 92.151 Patienten über einen langen Nachbeobachtungszeitraum ausgewertet. Es hat sich gezeigt, dass die Methode gut funktionierte, um gefährdete junge Menschen zu erkennen, obwohl Fusar-Poli davor warnte, dass "diese Ergebnisse noch in anderen Ländern wiederholt werden müssen, bevor sie in die klinische Routine eintreten können, aber sie sehen sehr vielversprechend aus."

Fusar-Poli meint, dass der Nachweis, dass die jungen Menschen gefährdet sind, der erste Schritt zur Prävention sei. Präventive Interventionen bei diesen Menschen können sich in mehreren Vorteilen niederschlagen:

"Obwohl die anfänglichen Kosten für die Einrichtung spezialisierter Dienste zur Erkennung psychose-gefährdeter junger Menschen höher sind, ist ein Eingreifen vor dem Ausbruch einer Psychose mit weniger Behandlungen und weniger Krankenhaustagen verbunden, zusätzlich zu den greifbaren und sozialen Vorteilen für die Gesundheit. Das bedeutet, dass  in Großbritannien das Gesundheitssystem rund 1000 Pfund (rund 1120 Euro) pro diagnostiziertem Patienten einspart."