„Manche entdecken erst durch das Handicap ihr sportliches Talent“
Von Ingrid Teufl
Nur ein Mal ließ sich Karin Gstaltner überreden, als Gelegenheits-Tennisspielerin mit der Rollstuhl-Mannschaft des Weißen Hofs zu trainieren. Keine so gute Idee, befindet die damalige ärztliche Leiterin des Rehabilitations-Zentrums der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA) heute. „Die haben mich weggefegt.“
Nicht nur aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen überraschen Gstaltner die aktuellen Erfolge der österreichischen Versehrtensportler in Tokio keineswegs. „Österreichs Versehrtensport ist in vielen Sportarten vorne mit dabei.“ Etwa im Tischtennis, Schwimmen oder Handbike mischten Österreicher bei internationalen Bewerben immer wieder mit.
Mehrere Funktionen
Sport ist nach einer schweren Verletzung wie Amputation oder Querschnittlähmung eine wichtige Säule auf dem Weg zurück in ein möglichst normales Leben. Und zwar sehr früh, „sobald der Patient medizinisch stabilisiert ist“, betont Gstaltner, zehn Jahre ärztliche Leiterin des Weißen Hofs und heute der AUVA-Reha-Klinik Meidling. Nachsatz: „Um Spitzensport geht es dabei nicht.“
Körperliche Aktivität hat mehrere Funktionen in der Reha. Am wichtigsten sei die sozial-psychologische Schiene, erklärt die Medizinerin. Frisch versehrte Patienten werden mit ehemaligen, die zum Trainieren kommen, zusammengebracht. „So zeigen wir ihnen: Da gibt es noch immer Möglichkeiten für dich.“ Zudem ist körperliche Aktivität auch für Versehrte eine Prävention.
Schrittweise führt man sie an ihre körperlichen Leistungsgrenzen. „Manche kippen dann hinein, spielen in Vereinen weiter, wo mitunter auch mit nicht Versehrten trainiert wird. Manche entdecken erst mit dem Handicap ihr Talent.“ Eine Rolle spielen ebenso Ehrgeiz, Selbstbestätigung, Zielstrebigkeit und Überwindung. „Sie erbringen Leistungen, die unglaublich sind.“