Epidemiologe Gartlehner zur Corona-Lage: Öffnen wir zu früh?
Von Anita Kattinger
Kürz vor Öffnung des Landes schnellen am Mittwoch die Infektionszahlen auf fast 40.000 in die Höhe, am heutigen Donnerstag lagen die Infektionszahlen der vergangenen 24 Stunden bei rund 30.000.
Im Ö1-Morgenjournal wurde Epidemiologe Gerald Gartlehner gefragt, ob die hohen Zahlen tatsächlich mit dem Ende der Semesterferien und mehr Tests zusammenhängen: "Es gibt sicher mehrere Gründe, warum die Zahlen noch immer so hoch sind. Dass die Kinder in den Schulen zurück sind, ist sicher eines davon, aber wir sehen auch, wie die zweite Variante von Omikron dominant wird."
Für ihn sei die Lage sehr wohl "ein bisschen" beunruhigend, weil Experten und Expertinnen erwartet hätten, dass die Zahlen im März deutlich weiter nach unten gehen müssen.
Öffnung am Samstag
Kommen die Öffnungen am Wochenende daher zu früh und verzögert sich dadurch der Höhepunkt der Welle? "Jetzt alles am Samstag zu öffnen, ist natürlich genau das Gegenteil, was man tun würde bei diesen hohen Infektionszahlen."
Zwar würde die Öffnung nicht zu einer akuten Überlastung der Spitäler und Intensivstationen führen, aber mit einem hohen Infektionsgeschehen in der Bevölkerung riskiere man auch Erkrankungen und Ausfälle in wichtigen Berufsgruppen wie dem medizinischen Personal.
Dies kann zu ähnlichen Versorgungsengpässen führen, wie wenn Intensivstationen überfüllt wären: Es könnten dann bestimmte Operationen oder Therapien nicht durchgeführt werden.
Masken und Testen
"Grundsätzlich: Jetzt wäre es natürlich gut, wenn die Politik die hohen Zahlen zur Kenntnis nimmt und bestimmte Basis-Maßnahmen noch belässt. Zum Beispiel Maskenpflicht in Innenräumen wäre wichtig, wenn es bleibt: Es gibt auch aktuelle Zahlen aus den USA, dass FFP2-Masken in Innenräumen das Infektionsrisiko um 80 Prozent reduzieren können." Solche Maßnahmen sollten beibehalten werden.
Beim Test-Management würde der Experte differenzieren: Diagnostisches Testen für Menschen, die sich krank fühlen, sollten für alle niederschwellig und kostenfrei zur Verfügung stehen. Beim Testen von Gesunden und Asymptomatischen braucht es dringend eine Strategie, die sich auf Hochrisiko-Bereiche und Vulnerable beschränkt. Auch in den Schulen würde laut dem Experten "zu viel" getestet werden.
Auch die Quarantäne und das Verfolgen von Kontaktpersonen sollte man überdenken, denn das funktioniert in der Praxis sowieso nicht mehr, sagt Gartlehner im Ö1-Morgenjournal.
Geringe Anzahl an Erststichen
6,2 Millionen Österreicher haben ein aktives Impfzertifikat (69,86 Prozent der Gesamtbevölkerung sowie 73,42 Prozent der impfbaren Bevölkerung).
Schuld am geringen Interesse, sich für Erststiche anzumelden - trotz Impfpflicht -, sieht der Epidemiologe der Donau Uni Krems an widersprüchlichen Botschaften der Politik.
"Dass einerseits alles geöffnet wird an einem Tag und auf der anderen Seite eine Impfpflicht gibt, die bedeuten würde, die Situation ist besorgniserregend. Das sind Widersprüche, die sich natürlich nicht vereinbaren lassen. Und die Bevölkerung tue dann, was sie will."
Die gleichen Probleme im Herbst?
Dinge, die jetzt gut funktionieren wie die Strukturen des niederschwelligen Testens müssen jetzt erhalten bleiben und Österreich müsse jetzt wissenschaftlich aufarbeiten, was gut oder schlecht im Pandemie-Management funktioniert habe.