Wissen/Gesundheit

E-Scooter: Hohes Unfallrisiko, große Verletzungsgefahr

Kleine Reifen, schmaler Lenker, schnelle Fahrt: Tretroller mit Motor gelten als Sinnbild der urbanen Mobilität. Doch Meldungen über steigende Unfallzahlen werfen Fragen nach den Risiken der leisen Flitzer auf. Die Zahl der Verletzungen und Krankenhauseinweisungen nach Unfällen mit E-Scootern habe dramatisch zugenommen, berichten US-Mediziner im Fachblatt „Jama Surgery“. Rund ein Drittel der Patienten erlitt ein Kopftrauma. Das ist eine doppelt so hohe Rate an Kopfverletzungen wie bei Fahrradfahrern in den USA.

Brüche und offene Wunden

Am häufigsten kam es der Analyse zufolge zu Brüchen (27 Prozent), Prellungen und Abschürfungen (23 Prozent) sowie Schnittwunden (14 Prozent). „Dabei gab es einen hohen Anteil an Menschen mit Kopfverletzungen, die sehr gefährlich sein können“, hieß es. Christopher Spering von der Universitätsmedizin Göttingen nennt die Verletzungsmuster „alarmierend“. Sie seien auch in Deutschland zu beobachten. „Sowohl bei den Rollerfahrern als auch anderen Unfallbeteiligten wie etwa Fußgängern kommt es oft zu Schädel-Hirn-Traumata sowie Verletzungen der oberen und unteren Extremitäten.“

Instabiles Fahrzeug mit Mangelausstattung

Das liege auch an der Architektur der Fahrzeuge. „Was E-Scooter-Fahrer auszeichnet, ist, dass sie ein Fahrzeug mit einer in sich instabilen Konstruktion bedienen“, erklärte Spering, Leiter der Sektion Prävention der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Dazu gehörten die kleinen Räder und der kurze Lenker sowie die stehende Fahrweise auf einem schmalen Brett. „Ohne Blinker können Rollerfahrer keine Richtungswechsel anzeigen, fehlende Bremslichter bedeuten, dass man ihre Geschwindigkeitswechsel nicht sehen kann, und sie sind so leise, dass man sie kaum hört.“ Zudem kämen die Nutzer als zusätzliche Akteure in eine Infrastruktur, die ohnehin schon damit überlastet sei, alle Teilnehmer sicher durch den Straßenverkehr zu leiten.

Mehr Fahrten, mehr Unfälle

Für ihre Untersuchung werteten die Mediziner der Universität von Kalifornien Daten aus dem National Electronic Injury Surveillance System (Neiss) aus, in dem Notaufnahmen ausgewählter US-Krankenhäuser Verletzungen durch Gebrauchsgegenstände verzeichnen. Demnach stieg die Zahl der Verletzungen bei E-Scooter-Unfällen erwartungsgemäß mit der zunehmenden Nutzung dieser Roller stark: von 2014 bis 2018 um 222 Prozent auf mehr als 39 000. Die Zahl der Krankenhausaufnahmen nahm prozentual gesehen noch stärker um 365 Prozent auf 3300 zu. Die US-Forscher betonen, dass ihre Studie vermutlich zu niedrige Zahlen enthalte: Fälle, bei denen die Art des Scooters nicht klar war, seien nicht mit einflossen. Zudem suchten nicht alle Fahrer nach einem Unfall die Notaufnahme auf.

Junge Menschen häufig verwickelt

Prozentual gesehen schnellte in den USA speziell die Zahl der Unfälle bei den 18- bis 34-Jährigen nach oben. „Wir sind sehr besorgt über die signifikante Zunahme von Verletzungen und Krankenhauseinweisungen, die wir vor allem 2018 dokumentiert haben, und insbesondere bei jungen Menschen, bei denen der Anteil der Krankenhauseinweisungen gestiegen ist“, erklärte Hauptautor Benjamin Breyer vom Universitätsklinikum San Francisco.

Experten empfehlen Helm

Ein Problem sei auch, dass die neuen Verkehrsteilnehmer nicht mit unseren gewohnten Wahrnehmungsmustern übereinstimmten, erklärte Spering. „Deshalb brauchen wir infrastrukturelle Veränderungen in allen Städten und Kommunen, bevor wir E-Scooter in den Verkehr integrieren.“ Unabhängig davon rate die DGOU allen Zweiradfahrern zum Tragen eines Helms - ebenso wie die Autoren der US-Studie.
„Es hat sich gezeigt, dass die Verwendung eines Helms mit einem geringeren Risiko für Kopfverletzungen verbunden ist“, betonte Koautor Nikan Namiri von der UCSF School of Medicine. „Wir sind der festen Überzeugung, dass Helme getragen werden sollten, und die Hersteller von E-Scootern sollten die Verwendung von Helmen fördern, indem sie sie leichter zugänglich machen.“ Frühere Analysen hätten gezeigt, dass nur zwei bis fünf Prozent aller verletzten Rollerfahrer einen Helm trugen.