Wissen/Gesundheit

Covid-19: Jeder dritte Spitalspatient hat veränderten Mentalzustand

Eine Covid-19-Erkrankung kann nicht nur Auswirkungen auf den Körper haben: Zunehmend zeigen jetzt Studien, dass auch die mentale Gesundheit deutlich beeinträchtigt werden kann. Die Daten der bisher größten US-Studie auf diesem Gebiet bestätigen das jetzt: Nahezu ein Drittel der Spitalspatienten mit Covid-19 zeigte Beeinträchtigungen der Gehirnfunktion und des Nervensystems wie verminderte Reaktionsfähigkeit, Gedächtnisstörungen, ein Gefühl des "Durcheinanderseins" bis hin zu einer starken zeitlichen und räumlichen Desorientiertheit und Verwirrtheit. Und: Patienten mit derartigen Symptomen hatten eine deutlich schlechtere Prognose.

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Für diese Studie wurden die Daten von 509 Covid-19-Patienten ausgewertet, die zwischen Anfang März und Anfang April in Spitälern in Chicago und Umgebung behandelt wurden.

Patienten mit solchen Veränderungen ihres Bewusstseinszustandes hatten eine drei Mal so lange Aufenthaltsdauer im Spital als Patienten ohne derartige Beeinträchtigungen, auch ihr Sterberisiko war erhöht.

Nach der Spitalsentlassung waren nur 32 Prozent dieser Patienten in der Lage, Alltagsfunktionen wie Kochen oder das Bezahlen von Rechnungen selbstständig auszuüben, erklärte Studienleiter Igor Koralnik. Die 162 Patienten mit irgendeiner Form der Enzephalopathie, einem krankheitswertigen Symptom des Gehirns, waren im Schnitt älter und häufiger männlich. Vielfach hatten sie auch bereits Vorerkrankungen.

Neben den Auswirkungen auf die Funktion des Bewusstseins zeigten sich in der Studie auch klassische neurologische Symptome wie Kopfschmerz, Schwindel, Muskelschmerzen oder auch die bekannten Geruchs- und Geschmacksstörungen.

Die Studie ist im Fachjournal Annals of Clinical and Translational Neurology erschienen.

Diskussion über die Ursachen

Über die genauen Ursachen ist sich die Forschung noch uneins: Die Studienautoren gehen nicht davon aus, dass das Virus direkt Gehirnzellen attackiert. Vielmehr wird angenommen, dass eine starke Reaktion des Immunsystems auf den Erreger auch direkte negative Auswirkungen auf das Gehirn hat.

Zu diesem Schluss kommt auch eine Studie des Uni-Klinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Das neuartige Coronavirus kann das Gehirn erreichen - jedoch ist nicht das Virus selbst, sondern die Immunantwort des Körpers für den Großteil der Veränderungen im Gehirn verantwortlich.

Die Mediziner haben für die Studie 43 mit SARS-CoV-2-infizierte Verstorbene untersucht. Bei rund der Hälfte der untersuchten verstorbenen Patientinen und Patienten (21 von 43) konnte der Erreger im Gehirn nachgewiesen werden. Die Virusmenge waren jedoch sehr gering und die Gehirne von Patienten mit den höchsten Virusmengen zeigten nicht mehr Veränderungen als solche, in denen kein Virus gefunden werden konnte. Die Forscher konnten aber eine Immunreaktion in den Gehirnen der Verstorbenen nachweisen. Möglicherweise waren also Entzündungszellen im Gehirn an der Entstehung der neurologischen Symptome beteiligt.

Die Forschenden schließen daraus, dass Entzündungszellen im Gehirn an der Entstehung der neurologischen Symptome beteiligt sein könnten.

„Neben Komplikationen in Lunge, Herz und Nieren kann es bei Covid-19 eben auch zu verschiedenen neurologischen Symptomen kommen. Diese weisen ein breites Spektrum auf und reichen von diffusen Beschwerden milder Ausprägung bis hin zu schweren Schlaganfällen. Bislang war aber noch unklar, ob und wie der Erreger ins Gehirn gelangt und sich dort auch vermehren kann. Wir konnten nun zeigen, dass nicht das neuartige Corona-Virus selbst das Gehirn schädigt, sondern die neurologischen Symptome vermutlich eine indirekte Folge der Virusinfektion sind“, sagt Markus Glatzel, Direktor des Instituts für Neuropathologie des UKE.

Diese Studie ist im Fachmagazin The Lancet Neurology erschienen.

 

 

 

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