Coronavirus: Wird der Sommer die Infektionszahlen niedrig halten?
Von Ernst Mauritz
Tageshöchstwerte von über 40 Grad Celsius: Für manche Regionen Arizonas gibt es Hitzewarnungen. Trotzdem verzeichnete der US-Bundesstaat Dienstag einen Rekord von 3.600 neuen Coronavirus-Infektionen – nur drei Wochen nach Ende des lokalen Lockdowns.
„In den südlichen US-amerikanischen Staaten laufen wir trotz hoher Umgebungstemperaturen in eine furchtbare Situation hinein“, sagt der Virologe Christian Drosten in seinem Podcast. „Auch wenn die Virusübertragung im Sommer ein wenig schlechter funktioniert, weil wir mehr im Freien sind: Auf das warme Wetter und den Sommer können wir uns nicht verlassen“, betont die Virologin Stephanie Pfänder von der Ruhr-Uni Bochum: „Wir müssen selbstverständlich weiterhin die Hygieneregeln befolgen.“
Pfänder ist Co-Autorin einer Studie, bei der im Labor untersucht wurde, wie lange getrocknete SARS-CoV-2-Partikel bei verschiedenen Temperaturen auf Oberflächen infektiös bleiben. „Überraschenderweise spielte es keine Rolle, ob es heiß oder kalt war.“ Sie verweist aber auf eine US-Studie, bei der UV-Strahlung in weniger als 20 Minuten 90 Prozent der vorhandenen Virusteilchen inaktiviert hat. „Die UV-Strahlung scheint einen größeren Einfluss auf das Virus zu haben als die Temperatur.“ Trotzdem gibt es hohe Infektionszahlen in sonnenreichen Gegenden.
Direkter Kontakt
Eine Erklärung hat die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien: „Beim neuen Coronavirus erfolgt ein großer Teil der Übertragung durch direkten Mensch-zu-Mensch-Kontakt: Atemwegströpfchen sind meist nur ein, zwei Sekunden in der Luft. Da ist es egal, wie stark die UV-Strahlung oder wie hoch die Temperatur ist.“
Bei der Influenza sei das anders: Hier machen Schmierinfektionen – Kontaktinfektionen über Oberflächen – einen viel größeren Anteil aus: „Da hat die UV-Strahlung einen großen Einfluss, wenn Viruspartikel ihr länger ausgesetzt sind.“ Bei den Tröpfcheninfektionen sei der Zeitraum für einen Effekt der UV-Strahlung aber eben meist zu kurz. „In den stark betroffenen US-Bundesstaaten sieht man was passiert, wenn Maßnahmen zur Viruseindämmung zu früh gelockert oder nicht beachtet werden.“
Deshalb betont Redlberger-Fritz: „In Österreich ist derzeit wahrscheinlich der beste Zeitpunkt für weitere Lockerungsmaßnahmen – weil wir so wenige Neuinfektionen haben. Aber wir müssen vorsichtig bleiben. Wenn es mit der Eigenverantwortung nicht funktioniert, kann es durchaus wieder eine Situation geben, wo die Lockerungen zumindest regional zurückgenommen werden müssen.“ So empfiehlt sie, weiterhin freiwillig im Supermarkt eine Maske zu tragen – „und auch überall, wo der Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten werden kann“.
Möglich seien verschiedene Zukunftsszenarien: „Eine zweite Welle ist eine Möglichkeit.“ Eine andere – „und danach sieht es im Moment am ehesten aus “ – ist, dass das Virus weiter auf niedrigem Niveau zirkuliert und regionale Clusterbildungen durch intensives Testen frühzeitig aufgedeckt werden. „Lockerungen können immer nur mit intensivem Testen einhergehen. Dann kann man zeitnah und regional begrenzt Maßnahmen treffen.“ Eines sei jedenfalls klar, sagt die Virologin mit Nachdruck: „Unterschätzen dürfen wir dieses Virus nicht.“