Mögliche Passivimpfung gegen SARS-CoV-2 aus Wien
In Wien sollen mit einem der beteiligten Entwicklungszentren des Pharmakonzerns Takeda wesentliche Arbeiten für ein schnelles Gegenmittel gegen schwere Covid-19-Erkrankungen entwickelt werden: Hyperimmunglobulin-Präparate mit konzentriertem Inhalt von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 aus Plasma von Patienten, welche die Covid-19-Erkrankung überstanden haben. Früher hieß dieses Prinzip "Passivimpfung".
"Wir sind der führende Anbieter von aus Spenderplasma gewonnen Therapien. Wir haben seit 15 Jahren eine Plattform mit zugelassenen polyklonalen Antikörperpräparaten. Antikörper-basierte Präparate haben gegen die 'Vogelgrippe' (A/H5N1; Anm.) oder gegen die Influenza-Pandemie ('Schweinegrippe'; A/H1N1 der Jahre 2009/2010) klinische Erfolge gezeigt. Wir können das jetzt für unser Projekt zur Entwicklung eines solchen Antikörper-basierten Arzneimittels gegen SARS-CoV-2-Infektionen bzw. Covid-19-Erkrankungen nützen", sagte Thomas Kreil, Virologe und beim aus Japan stammenden international tätigen Pharmakonzern Takeda weltweit für die Sicherheit bezüglich Viren und anderer Pathogene zuständig.
Es gibt auch einzelne Berichte über die erfolgreiche Behandlung von SARS-Patienten (2002/2003) mit Hyperimmunglobulin aus Spenderplasma.
Bekanntes Prinzip
Bei dem Projekt handelt es sich um die Entwicklung eines Anti-SARS-CoV-2-H-IG-Präparats (Humane IgG-Antikörper gegen SARS-CoV-2). Das Prinzip ist uralt: Der Mensch übersteht eine Infektionskrankheit vor allem dadurch, dass bald nach Ansteckung mit einem Keim, ob Viren oder Bakterien, eine Immunantwort in Gang kommt. Sie wird durch Antikörper vermittelt, anfänglich durch Immunglobulin M. Etwas später - nach etwa einer Woche - setzt die Produktion von spezifischen Immungloblulin G-Antikörpern durch B-Zellen ein (IgG). Dadurch wird die Infektion besiegt. Wieder Genesene ("Konvaleszente") tragen dann diese Antikörper im Blutplasma,diese schützen mehr oder weniger anhaltend vor weiteren Infektionen.
Entwickelt wurde die erste "Blutserum-Therapie" von dem deutschen Wissenschafter Emil von Behring, der 1891 erstmals zwei Diphtherie-kranke Kinder mit Antikörpern behandelte. Die Quelle waren damals vorgeimpfte Schafe. 1901 erhielt er dafür den ersten Nobelpreis für Physiologie und Medizin.
Bei Takeda soll das so ablaufen: "Wir wollen Covid-19-Patienten, welche die Infektion vollständig überstanden haben und gesundet sind, bitten, Plasma zu spenden. Aus diesem Plasma werden dann die Antikörper durch 'Fraktionierung' konzentriert und haltbar gemacht. Kranke Patienten sollen schließlich die Antikörper aus dem Plasma (der wieder Gesunden; Anm.) in konzentrierter Form erhalten", sagte Kreil.
Ungewissheit bei Antikörper-Gewinnung
Noch nicht bekannt ist, wie viel an Antikörpern man aus dem Plasma von ehemaligen Covid-19-Patienten gewinnen kann bzw. wie viel man für die Therapie eines Patienten mit dem "konvaleszenten" Antikörperpräparat in Form einer passiven Impfung benötigt. "Das können pro Spender einer oder einige wenige Patienten sein. Das können pro Patient aber auch Antikörperpräparate von mehreren Spendern sein", sagte Kreil.
Der Pharmakonzern ist mit seinen Plasmaaktivitäten Nachfolger der ehemaligen Immuno AG in Wien, die später vom US-Konzern Baxter übernommen wurde und nun ein Teil von Takeda ist. Damit ist Wien seit Jahrzehnten Standort eines der weltweit größten Verarbeitungszentren für Spenderplasma. Daraus werden unter anderem Blutgerinnungsfaktoren, Fibrinkleber für die Chirurgie und verschiedene Antikörperprodukte – zum Beispiel für Patienten mit angeborener Immunschwäche – gewonnen bzw. hergestellt.
Basis dafür sind die unter anderem in den darauf spezialisierten Zentren von BioLife, einem Tochterunternehmen, gesammelten Plasmaspenden.
60 Millionen Liter Spender-Plasma
Etwa fünf Millionen der weltweit 60 Millionen Liter gespendetes Plasma werden in Fraktionierungsanlagen in Österreich zu Arzneimitteln verarbeitet. Allein der weltweite Bedarf an Immunglobulinen (IgG) ist von 47,4 Tonnen im Jahr 2000 auf 197 Tonnen im Jahr 2018 gestiegen. Takeda produziert insgesamt jährlich aus rund zehn Millionen Litern Spenderplasma verschiedenste Arzneimittel.
Wenn also herkömmliche "synthetische" Arzneimittel gegen eine Infektionskrankheit nicht in Sicht sind, kann diese Therapie auf "natürlicher" Basis eine Alternative darstellen. Ehemals gab es, als Ergänzung zum FSME-Impfstoff, auch ein Hyperimmunglobulin-Präparat gegen die FSME. Ein anderes Beispiel sind Hyperimmunglobuline gegen Cytomegalie-Infektionen.
Gespräche über Zulassung
"Wir nehmen an, schon binnen neun bis 18 Monaten unser Medikament zur Zulassung bringen zu können. Zu dem Thema stehen wir mit der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), der US-Arzneimittelbehörde FDA und anderen Arzneimittelbehörden in Kontakt. Speziell die Interaktionen mit AGES waren für den Fortschritt unserer Bemühungen, eine Behandlung für Covid-19 zu entwickeln, sehr hilfreich", sagte Thomas Kreil.
Im Gegensatz zur Zulassung neuer Wirksubstanzen als Arzneimitteln, ist die Sicherheit der Anwendung von schon zugelassenen Antikörperpräparaten im Menschen seit Jahren bewiesen. Man könne daher die klinische Erprobung mit kürzeren Studien und wenigen Probanden durchführen, erklärte der Experte. Das sei für eine beschleunigte Entwicklungszeitleiste ein großer Vorteil.