Cholesterin: Jedes Kind zwischen sechs und zwölf sollte Bluttest machen
Bei Kindern mit genetisch bedingten erhöhten Cholesterinwerten können bereits in jungen Jahren Herzinfarkte oder andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Einer von 250 Menschen ist von der sogenannten Familiären Hypercholesterinämie betroffen – doch nur jeder Zehnte weiß es, warnen Wiener Ernährungsmediziner in einem wissenschaftlichen Beitrag. Jedes Kind im Alter zwischen sechs und zehn Jahren sollte daher auf seinen Cholesterinwert (LDL-Cholesterin) untersucht werden, fordern die Experten. Das ist mit einem einfachen Blut-Labortest möglich. Auch bei potenziell betroffenen Erwachsenen kann ein einfacher Bluttest Klarheit schaffen.
Ein Gesamtcholesterinwert von mehr als 240 Milligramm pro Deziliter Blut (mehr als 150 Milligramm LDL) gilt bei Erwachsenen als Verdachtsmoment. Bei Kindern sind es mehr als 200 Milligramm Gesamtcholesterin pro Deziliter Blut und mehr als 130 Milligramm LDL-Cholesterin. Zudem sollte in einer Familienanamnese erhoben werden, ob es bei direkten Verwandten im frühen Alter zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen gekommen ist. Schließlich kann der Gendefekt, der die Erkrankung auslöst, mittels DNA-Sequenzierung festgestellt werden.
Für Kurt Widhalm, lang gedienter Ernährungsmediziner an der MedUni Wien, und seine Co-Autorin Karin Fallmann, beide von der Österreichischen Akademie für Ernährungsmedizin in Wien, ist das Problem ziemlich unverständlich. "Die Familiäre Hypercholesterinämie wurde schon vor mehr als 130 Jahren beschrieben. So ist es überraschend, dass das Wissen über diese wichtige Stoffwechselerkrankung noch so mangelhaft ist", schrieben sie jetzt in "Current Pediatric Reviews" (der Artikel kann hier nachgelesen werden https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39082163/).
Zuerst keine Symptome
Zunächst verursacht die Erkrankung keine klinischen Symptome. Die Folgen davon, dass der Großteil der Betroffenen nichts von der Erkrankung weiß, können aber verheerend sein. Ein klassisches Fallbeispiel laut den Experten: Ein 33 Jahre alter, gesund erscheinender Mann kommt mit einem schweren Herzinfarkt ins Spital und wird durch modernste Behandlung mit Katheterintervention und Stent gerettet. Erst im Nachhinein stellt sich heraus, dass einige seiner direkten Verwandten auch schon im Alter zwischen 40 und 55 Jahren einen Infarkt erlitten hatten. Sein Gesamtcholesterinwert ist mit 400 Milligramm pro Deziliter Blut (empfohlen mindestens weniger als 200 Milligramm) und 300 Milligramm "böses" LDL-Cholesterin (für sonst Gesunde mindestens weniger als 130 Milligramm) viel zu hoch. Gewusst hat er von diesem offenbar ererbten hohen Risiko für Atherosklerose nichts.
Problematisch ist dies, da es ohne Diagnose auch keine Therapie geben kann, die solche akuten und lebensgefährlichen Herz-Kreislauf-Ereignisse verhindern könnte. "4,5 Millionen Menschen leben in Europa mit Familiärer Hypercholesterinämie. Weltweit wird jede Minute ein Kind mit dieser Erkrankung geboren", so die Experten. Es gäbe noch viel zu wenig Bewusstsein zu dieser Erkrankung und zu dem Risiko früher Herzinfarkte und Gefäßveränderungen bei Ärzten und Betroffenen. Das treffe auch auf Familien zu, in denen Herzinfarkte und Schlaganfälle bereits im frühen Alter aufgetreten seien. Und schließlich fürchte man ungerechtfertigterweise eine eventuell notwendige medikamentöse Therapie, ohne dass belastende Symptome einer Krankheit vorliegen.
Therapie einfach möglich
Tatsächlich ist die Therapie zumeist relativ einfach: Am Beginn steht eine fettarme, fettmodifizierte und ballaststoffreiche (viel Gemüse und Obst) Ernährung samt genug Bewegung. Bei den von Familiärer Hypercholesterinämie Betroffenen reicht das aber nicht aus. Das Standardmedikament sind mittlerweile milliardenfach bewährte sogenannte Statine. Zusätzlich gibt es weitere Arzneimittel, welche in Kombination mit diesen Substanzen die LDL-Konzentration im Blut noch stärker absenken. In den allerschwersten Fällen werden die extrem erhöhten Blutfette sogar per Plasmapherese regelmäßig aus dem Blut gefiltert.
In den meisten Fällen wird die für die angeborene Stoffwechselerkrankung verantwortliche "Veranlagung" nur von einem Elternteil ererbt (heterozygot). Das bedeutet erhöhte, aber nicht extrem erhöhte Cholesterinkonzentrationen im Blut. "Bei dieser Erkrankungsform ist das Herzinfarktrisiko im Alter zwischen 40 und 60 Jahren erhöht. Wird auf der anderen Seite die Veranlagung von beiden Elternteilen ererbt (homozygot), ist das besonders schwerwiegend. Die Betroffenen sterben üblicherweise schon im Kindesalter an schweren Herzinfarkten. Diese Form der Krankheit ist mit eins zu 500.000 sehr selten." Die Folge sind extrem hohe Cholesterinspiegel und ein extrem frühes Atheroskleroserisiko.