60 Prozent aller Infektionen durch britische Virusvariante
Von Ernst Mauritz
Österreichweit gehen bereits 60 Prozent aller Neuinfektionen auf die neuen Varianten - primär die britische Variante - von SARS-CoV-2 zurück: Das sagt der Virusimmunologe Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Freitag im Ö1-Mittagsjournal.
Bei der britischen Variante zeige sich nach wie vor eine Ost-West-Verteilung: "Im Burgenland sind es im Durchschnitt 77 Prozent (Anteil an allen Neuinfektionen, Anm.), in Wien 66 Prozent, in den westlichen Bundesländern 40 bis 50 Prozent."
Von der südafrikanischen Variante sind mit heute, Freitag, 630 Fälle in Tirol bestätigt, sagte Bergthaler. "Nach wie vor werden täglich fünf bis 20 Fälle in Tirol gefunden und identifiziert. Meist können sie relativ gut per Contact Tracing verfolgt und eingegrenzt werden."
Außerhalb Tirols seien derzeit "30 oder ein paar Fälle mehr" der Südafrika-Variante nachgewiesen, "immer noch wenig im Verhältnis zu Tirol".
"Differenziertes Infektionsbild"
Ob man den derzeitigen Anstieg der Infektionszahlen ausschließlich mit der großen Anzahl an Tests erklären könne, werde zum jetzigen Zeitpunkt "wahrscheinlich keiner beantworten können. Aber ich denke, dass man das jetzige Infektionsbild sehr differenziert sehen muss".
Denn einerseits sind die Infektionszahlen im Steigen, andererseits ist die 7-Tages-Inzidenz "Häuser weit weg von dem Wert 50, den man als Ziel ausgegeben hatte".
Als Virologe finde man derzeit wenig Argumente für weitere Lockerungen, abgesehen davon, "dass es sicher sinnvoll ist, sich zu überlegen, wie man die Bevölkerung weiterhin ermutigen kann".
Rein wissenschaftlich gesehen stelle sich die Situation zur Zeit genauso dar, wie man es vor wenigen Wochen vermutet hatte: "Aufgrund dieser neuen Varianten werden die Infektionen auch in absoluten Zahlen steigen". Gerade bei der britischen Variante habe sich mittlerweile sehr klar gezeigt, dass sie eine erhöhte Infektiosität "von 30 bis 60,70 Prozent aufweist".
"Sehr vorsichtig sein"
Man müsse jetzt "sehr vorsichtig sein, es ist eine relativ labile Situation, die man nicht verspielen soll, indem man jetzt unkontrolliert alles aufmacht", betonte Bergthaler.
Generell sollten, um Mutationen eingrenzen zu können, sehr rasch und zeitnah Entscheidungen getroffen werden: "Das hat in Tirol nicht stattgefunden. Je regionaler und zielgerichteter diese Maßnahmen stattfinden können, umso besser."
In "irgendeiner Form" sollten betroffene Regionen isoliert und unter Quarantäne gestellt werden. "Mindestens genauso wichtig ist es, in diesen Regionen flächendeckend Tests durchzuführen, damit man auch jene asymptomatischen Personen findet, die das Virus in sich tragen. Da ist in Schwaz und Umgebung noch Luft nach oben."
Selbsttests sind wichtig
Die ab Montag in Apotheken erhältlichen kostenlosen Selbsttests sieht Bergthaler positiv: "Es gibt sehr gute Studien, die zeigen, dass auch Tests, die vielleicht keine 100-prozentige Sicherheit geben, aber die sehr regelmäßig eingesetzt werden, maßgeblichen Anteil an der Bekämpfung des Infektionsgeschehens haben können."
Keine falsche Sicherheit
Je regelmäßiger und je öfter man sich testen lasse, im besten Fall mehr als einmal pro Woche, umso schneller werden wir wieder Herr der Lage sein.
Allerdings: "Sicher sollte man sich in der jetzigen Situation nicht fühlen, egal, ob man gerade ein negatives Testergebnis bekommen hat oder ob man schon geimpft ist: Es besteht immer ein Restrisiko, dass man gerade neu infiziert wurde oder der Test nicht angeschlagen hat."