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Eine Kühlhaube gegen Haarausfall bei Krebs

Im Wiener AKH laufen die Telefone heiß. Der Grund dafür ist eine Kühlhaube für Krebspatientinnen, die Haarausfall bei Chemotherapie verhindern soll. Durch einen Fernsehbeitrag wurden Patientinnen auf das Kopfhautkühl-System eines britischen Herstellers aufmerksam. Denn der therapiebedingte Haarausfall ist besonders für Frauen nach der Chemotherapie sehr belastend. Viele empfinden eine Glatze als stigmatisierend und schämen sich für eine Perücke.

Zum Haarausfall kommt es, weil einige der in der Chemotherapie eingesetzten Medikamente besonders auf schnell wachsende und sich häufig teilende Zellen wirken. Dazu zählen neben den bösartigen Krebszellen auch Zellen der Haarwurzeln, Haut, Schleimhaut und des Blutes. Hier setzt die Kühlhaube an: Sie wird vor, während und nach der Chemotherapie getragen und kühlt die Blutgefäße der Kopfhaut auf etwa 15 bis 18 Grad ab. Dadurch verengen sich diese, das Medikament gelangt weniger in die Haarfollikel, wodurch der Ausfall der Haare verhindert wird.

Haube hilft nicht allen

Soweit die Theorie. Tatsächlich hilft die Kühlhaube aber nicht allen Patientinnen, wie punktuelle Versuche im Wiener AKH im Rahmen einer ersten Anwendungsbeobachtung zeigen. "Bei unseren Tests zeigte sich ein Drittelergebnis: Bei einem Drittel der Patientinnen wirkt die Kühlhaube sehr gut, bei einem Drittel mäßig und bei einem weiteren Drittel gar nicht", sagt Univ.-Prof. Günther Steger, Internistischer Onkologe am AKH Wien. Dieses Ergebnis entspricht jenem der bisher einzigen zur Kühlhaube publizierten wissenschaftlichen Studie aus Deutschland. Die Kühlhaube wurde wie ebendort an Brustkrebspatientinnen getestet. "Bei manchen Krebsarten, etwa im hämatologischen Bereich, an der Haut sowie im Kopf- und Halsbereich weiß man nicht, wie die Haube wirkt. Möglicherweise verringert sie auch die Durchblutung der Tumorzellen im Bereich der Haube, wodurch die Therapie weniger anspricht. Dazu fehlen bisher Erkenntnisse", betont Steger.

20 Patientinnen testeten Haube

In der kürzlich abgeschlossenen Testphase trugen 20 Patientinnen im AKH sowie der Privatklinik Goldenes Kreuz die Haube im Lauf der Chemotherapie. Diese muss 30 Minuten vor Beginn, während sowie bis zwei Stunden nach der Infusion getragen werden. Insgesamt ergibt das einen Zeitraum von bis zu sechs Stunden. Jeweils zwei Kühlhauben sind mit dem Basisgerät verbunden, während des Tragens muss man daneben sitzen oder liegen. Für manche Patientinnen ist die Kühlung unangenehm. Im AKH kam es etwa bei einer der Teilnehmerinnen zu einer Stirnhöhlenentzündung, eine weitere brach die Teilnahme ab, da sie die Kühlung, die mitunter drei bis fünf Tage nacheinander stattfindet, als schlimmer empfand als drohenden Haarausfall.

Nur erster Schritt

Steger: "Die Kühlhaube dürfte ein erster wichtiger Schritt sein, dass wir einem Teil der Patientinnen dazu verhelfen können, die Haare zumindest teilweise zu erhalten. Wir sollten aber nicht zu euphorisch sein, vor allem auch, weil personell und finanziell sehr viele – oft nicht vorhandene – Ressourcen notwendig sind, um die Kühlhaube einsetzen zu können." Das Verhindern des Haarausfalls sei zwar für viele psychologisch sehr wichtig, medizinisch aber nicht lebensnotwendig. "Hinzu kommt, dass die Testphase gerade erst beendet wurde und derzeit ausgewertet wird. Noch kann man nicht über einen flächendeckenden Einsatz des Systems im AKH sprechen", meint Steger. Allerdings würde Chemotherapie nach und nach durch neue Immuntherapien ersetzt werden. Diese haben zwar auch Nebenwirkungen, Haarausfall zählt aber nicht dazu. Bereits jetzt ist Haarausfall laut Steger nur eine Nebenwirkung von etwa der Hälfte der verwendeten Chemotherapeutika.

Erkrankungen Jährlich erkranken in Österreich etwa 37.000 Menschen an Krebs, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Bösartige Tumorerkrankungen sind nach Herz-Kreislaufleiden die zweithäufigste Todesursache (rund 20.000 Todesfälle jährlich).

Positive Entwicklung Tendenziell gehen das Risiko einer Neuerkrankung und auch das Sterblichkeitsrisiko zurück.