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Was dürfen wir noch essen?

Die verkürzte Aussage hat vielen den Appetit verdorben: "Weltgesundheitsorganisation stufte Wurst und Schinken als krebserregend ein" hieß es Sonntag in Agenturmeldungen – der KURIER berichtete. "Die Art der Präsentation dieser WHO-Studie führt zu einer allgemeinen Verunsicherung", sagt die Darmkrebsspezialistin Univ.-Prof. Irene Kührer von der MedUni Wien. "Denn die Leute fragen sich, ,Was darf man denn noch essen?‘, verfallen in einen Nihilismus und nehmen dann gar nichts mehr ernst. Dabei sagt die WHO überhaupt nicht, dass wir jetzt nur mehr Gemüse essen dürfen."

Was steht in der WHO-Studie genau?

Die Experten der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) – eine WHO-Behörde – haben verarbeitetes Fleisch (z.B. gepökelte, geräucherte Produkte, etwa Wurst, Schinken, Geselchtes) als "krebserregend" eingestuft – in dieselbe Kategorie wie Tabakrauch oder Asbest. "Das bedeutet aber nicht, dass diese Lebensmittel auch genauso gefährlich sind", so die Agentur. Rotes Fleisch (Rind, Schwein, Lamm, nicht aber Huhn) findet sich in der Kategorie "wahrscheinlich krebserregend". Pro langfristig täglich konsumierten 50 Gramm Wurstwaren (entspricht zwei bis drei Scheiben Schinken oder einer Wurstsemmel) erhöht sich das Risiko für Darmkrebs um 18 Prozent. Rein statistisch heißt das: Bei durchschnittlichen Ernährungsgewohnheiten erkrankt einer von 77 Männern im Alter von 55 Jahren in den kommenden zehn Jahren an Darmkrebs. Isst ein Mann täglich 100 Gramm Wustwaren mehr als der Durchschnitt, wird einer von 56 erkranken. Selbst die WHO-Experten sagen, dass für den Einzelnen das zusätzliche Risiko relativ gering ist und in Kombination mit anderen Lebensstilfaktoren gesehen werden müsse – global sei das Problem aber groß. Einzelne Wurstsorten werden nicht unterschieden.

Darf man weiterhin Wurst und Schinken essen?

Ja. An der bisherigen offiziellen Empfehlung in der Ernährungspyramide des Gesundheitsministeriums (maximal drei Portionen fettarmes Fleisch oder fettarme Wurst pro Woche) ändert sich nichts. "Auf fettreiche Wurstsorten würde ich – nicht erst seit dieser Studie – weitgehend verzichten", sagt Irene Kührer. Denn diese sind durch ihren hohen Fettanteil ein zusätzlicher Risikofaktor für Übergewicht, Herz-Kreislauferkrankungen und auch Diabetes. Hier sei fettarmer Schinken sicher zu bevorzugen. "Und Fleisch sehe ich überhaupt nicht so kritisch, es ist ja auch eine wichtige Eiweißquelle. Man muss Qualität vor Quantität stellen."

Welche Rolle spielt insgesamt der Lebensstil beim Krebsrisiko?

Experten gehen davon aus, dass zumindest 30 Prozent aller Krebserkrankungen vom Ernährungs- und Bewegungsverhalten abhängig sind. "Und wir wissen, dass das Darmkrebsrisiko in Österreich ansteigend ist", so Karl-Heinz Wagner.

Sind die Daten neu?

Nein. "Seit vielen Jahren ist bekannt, dass hoher Fleischwarenkonsum bei gleichzeitig geringem Anteil an Ballaststoffen das Dickdarmkrebsrisiko ansteigen lässt", sagt Univ.-Prof. Karl-Heinz Wagner, stv. Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften, Uni Wien. Die genauen Ursachen sind nicht klar, es dürften verschiedene Faktoren sein: Etwa die Umwandlung von Nitrit aus dem Pökelsalz zu potenziell krebserregenden Nitrosaminen oder die Bildung krebserregender Substanzen beim Erhitzen. "Die Botschaft ist, den Konsum tierischer Lebensmittel zu reduzieren, er ist in Österreich zu hoch."

Was sagt die Politik?

"Schinken auf dieselbe Stufe zu stellen wie Asbest ist hanebüchener Unsinn und verunsichert nur die Menschen", so Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, der von einer "Farce" spricht und zu "maßvollem Fleischkonsum" rät. Im Büro von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser betonte man, dass "die Erkenntnisse nicht neu sind". Auch in Deutschland rief Bundesernährungsminister Christian Schmidt die Verbraucher dazu auf, sich nicht verunsichern zu lassen. "Niemand muss Angst haben, wenn er einmal eine Bratwurst ist."

Was sagt die Industrie?

Nach Überzeugung der deutschen Fleischer ist trotz neuer Erkenntnisse ein Zusammenhang zwischen Fleischverzehr und Krebs nicht erwiesen. Es handle sich um einen rein mathematisch ermittelten Risikofaktor, den ein Forscherteam der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in seiner jüngsten Studie aufgezeigt habe. Alles andere wie die Lebensverhältnisse der Konsumenten werde außer Acht gelassen, sagte Gero Jentzsch, Pressesprecher des Deutschen Fleischer-Verbandes, der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt.

Gespaltene Reaktionen in Italien

Sehr konträr auch die Reaktionen in der Heimat des Prosciutto: Italiens Landwirtschaftsverband Coldiretti warnte vor der Gefahr, übertriebene Angst unter den Konsumenten zu schüren. Die Tatsache, dass Wurst als krebserregender Faktor wie Rauchen eingestuft werde, sei unannehmbar, so die italienische Fleischindustrie. Anders sieht die Lage Italiens Konsumentenschutzverband Codacons. Dieser will beim Gesundheitsministerium einen Antrag einreichen, um zu prüfen, ob Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit nach dem WHO-Alarm ergriffen werden sollen. „Die IARC-Studie ist besonders wichtig, weil sie zum ersten Mal mit wissenschaftlichem Fundament die Risiken beleuchten, die mit dem Verzehr von verarbeitetem Fleisch verbunden sind“, betonte die Front der italienischen Vegetarier. „Natürlich sind Zigaretten gefährlicher als Fleisch. Doch während das Rauchen im ganzen Westen im Rückgang begriffen ist, kann man vom Fleischkonsum nicht dasselbe sagen“, hielt der namhafte Onkologe und Ex-Gesundheitsminister Umberto Veronesi fest.

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