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Der Einheitsstyle im Schritt

Das weibliche Körperbild hat sich verändert: Vor allem bei jungen Frauen trübt heute vielfach kein Härchen mehr den Blick auf den Intimbereich. Dazu gaukelt die Porno-Industrie ein geschöntes Idealbild vor. Kein Wunder, wenn dann Frauen in Schönheits-Reality-Dokus als Grund für eine Intimkorrektur angeben: „Weil ich da unten so komisch ausschaue.“

Das Geschäft mit einer der sensibelsten Zonen des weiblichen Körpers boomt. Rund 150 derartige Operationen führt etwa die Wiener plastische Chirurgin Sabine Apfolterer jährlich mittlerweile durch – Tendenz deutlich steigend. Vor allem sind es Jüngere. Doch zunehmend kommen auch Frauen jenseits der 40. Sie ist überzeugt, Frauen etwa mit einer Verkleinerung der inneren Schamlippen zu helfen. „Viele leiden schon seit der Schulzeit darunter, wurden ausgelacht, sind sexuell gehemmt oder haben Schmerzen in enger Kleidung.“

Gerade das Schmerz-Argument hält hingegen die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger für überzogen. „Diese Gruppe ist verschwindend gering. Es ist ein Lifestyle-Thema.“ Zur weiblichen Sexualität gehöre mehr, „als wie ein 12-jähriges Mädchen auszuschauen“.

Ästhetik

Studien und Umfragen zeigen, dass Intimkorrekturen vorwiegend aus ästhetischen Gründen gemacht werden. Und nebenher wird so auch das weibliche Geschlecht zum Geschäft. Das betrifft mittlerweile nicht mehr allein die sichtbare Zone. Etwa 90 Prozent aller Intim-OPs entfallen zwar auf Verkleinerungen der inneren Schamlippen. Doch Aufspritzen der Klitoris (für bessere Orgasmen) oder Vaginalstraffungen und Verengungen (für mehr Gefühl beim Sex, etwa nach Geburten) nehmen zu. Chirurgin Apfolterer ist hier aber zurückhaltend. „Es gibt keine Studien, dass eine vergrößerte Klitoris Vorteile bringt.“ Vor allem aber befinden sich im „zentralen Teil der weiblichen Sexualität“ zahlreiche Nerven, die verletzt werden könnten. Generell fehle vielen Ärzten die Erfahrung. Das betont auch Wimmer-Puchinger: „Es wird etwas als positiv verkauft, ohne die Konsequenzen zu bedenken.“

Sie setzt deshalb auf ausführliche Gespräche. „Es ist wichtig, herauszufinden, aus welchem Grund die Frau eine Operation will und ob ihr damit überhaupt geholfen werden könnte.“

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Es ist ein Novum im Mode-Mekka Manhattan: Die Schaufensterpuppen einer Filiale des hippen Unterwäsche-Herstellers American Apparel tragen schwarzen Pelz unter der transparenten Lingerie – und davon reichlich. Ob aus dem Stilbruch ein „Must-have“ wird, ist fraglich, die Diskussion um die Frisur unter der Gürtellinie wäre aber entfacht. „Wir wollten die Frage stellen, was als schön und sexy zu gelten hat“, freut sich American-Apparel-Managerin Dee Myles.

Sprießendes Haar muss aber nicht zwingend ein gesellschaftspolitisches Statement sein – es kann auch einfach nur Spaß machen. Das deutsche Magazin NEON zeigt in seiner aktuellen Ausgabe Models mit Scham- und Achselbehaarung. „Wir wollten kein Zeichen setzen, sondern fanden die Fotos lustig und erfrischend anders“, sagt Mode-Chefin Maike Rohlfing im KURIER-Gespräch.

"Preiset die Schamhaare"

Ob Spaß oder Ernst, die Modeindustrie ist auf einen fahrenden Zug aufgesprungen. Hollywood-Star Cameron Diaz widmete ihrem naturbelassenen Intimbereich ein ganzes Buch-Kapitel – unmissverständlicher Titel: „Preiset die Schamhaare“ – und auch Schauspiel-Kollegin Gwyneth Paltrow bekannte sich jüngst zu ihrem „70er-Jahre-Busch“.

Die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger beobachtet den aktuellen Werbetrend mit Interesse. Ihr gefällt die Idee vom Schamhaar-Revival. „Heute wird es als Provokation eingesetzt, aber noch in den 1970er-Jahren galt eine Frau als umso weiblicher, je dichter ihre Schambehaarung war. Vielleicht darf man jetzt wieder mehr Frau sein.“ Vielleicht macht es aber einfach nur Spaß.

Eine coole Privatpraxis im Beverly-Hills-Style am Rande der Stadt, geworben wird mit dem eleganten Wort „Intimästhetik“. Eine moderne Pilgerstätte für Frauen, die ihrer Vagina nicht mehr trauen. Wo folglich rege Nachfrage in der Causa „juveniler Look“ herrscht: Der Vagina ohne „Spuren“ – eng, straff, neu. Samt festen äußeren Schamlippen, die die inneren perfekt umschließen. Ein optimiertes Gesamtkunstwerk in anmutigem Champagnerrosé, aufgemöbelt mit dem G-Shot für den heikelsten Punkt des weiblichen Intimbereichs.

Längst sind die Schönheitschirurgen unter der Gürtellinie gelandet, um den durch Porno- und Lifestyle-Industrie getriggerten Idealen ihren letzten Schliff zu geben. Was falsch ist, wird dem Genital-Ideal angepasst. Eine weitere Form von Selbstbestimmung, jubeln Befürworter. Und merken nicht, dass die Konfektionierung des Intimbereichs von der sexuellen Befreiung so weit entfernt ist wie die Erde vom Mars. Tatsächlich handelt es sich bei diesem – medizinisch nicht begründeten – Lifestyle-Eingriff um die moderne Zähmung. Des Individuellen, des Wilden, der weiblichen Intim-Geografie und -biografie.

gabriele.kuhn@kurier.at

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