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Depression: Jeder 10. Beschäftigte betroffen

Jeder fünfte EU-Bürger war im Lauf seines Lebens mindestens ein Mal mit der Diagnose Depression konfrontiert. Und: Jeder zehnte Arbeitnehmer ist schon ein Mal wegen Depressionen zu Hause geblieben. Mit 26 Prozent sind die Briten am häufigsten betroffen, die Italiener mit zwölf Prozent am seltensten. Daraus entstehen europaweit Kosten von 92 Mrd. Euro. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Fachverbands "European Depression Association" (EDA).

Die EDA setzt sich aus Experten und Patienten aus 17 EU-Ländern zusammen. Für die neue Untersuchung, deren erste Ergebnisse gestern, Montag, in Brüssel präsentiert wurden, waren 7065 Menschen online befragt worden. Die Zahlen decken sich zum Teil mit anderen Studien. Univ.-Prof. Siegfried Kasper, Vorstand der Uni-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der MedUni Wien: "Wir gehen heute davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Mal während der gesamten Lebenszeit an einer Depression zu erkranken, zwischen zehn und 15 Prozent liegt."

Keine absoluten Zahlen

Angesichts dessen aber auf eine zunehmend depressive und überforderte Gesellschaft zu schließen, greift zu kurz. "Dieses Ergebnis zeigt nicht, dass Depressionen in Europa tatsächlich gestiegen sind. Die Daten sind nicht absolut zu sehen. Man muss da genauer hinschauen", sagt Georg Psota, Chefarzt des Psychosozialen Dienstes (PSD) in Wien. "Unter Depression wurde und wird vieles zusammengefasst."

Kasper kann den Zahlen durchaus auch Positives abgewinnen. "Sie zeigen, dass sich die Menschen trauen, über Depressionen zu reden. Diese Krankheit wird zunehmend enttabuisiert." Psota ergänzt: "Früher schämten sich viele. Ein körperliches Leiden als Krankenstandsgrund wurde viel stärker akzeptiert."

Freilich, die sozioökonomische Lage geht an den Arbeitnehmern nicht spurlos vorüber. Oft seien Überforderung und Sorgen über den Bestand des Arbeitsplatzes eine große psychische Belastung und können Auslöser einer depressiven Episode sein. "In Zeiten von Perspektivenwechseln und Mangel an Sicherheit wird die Gesamtstimmung schlechter", betont Psota. Damit dies nicht zu einem schweren Krankheitsschub wird, empfehlen die Experten, rechtzeitig gegenzusteuern. "Depressionen können immer wieder auftreten. Man sollte sich dessen bewusst sein", meint Kasper. "In so einer Phase sind etwa gewohnte Abläufe besser zu bewältigen als rasche Veränderungen."

Info: Warnsignale der Überforderung

Symptome Anhaltende Traurigkeit oder Weinen ist nicht das einzige Symptom, auf das Angehörige und Arbeitskollegen bei gefährdeten Menschen achten sollten. Als typische Beschwerden, die eine Depression ankündigen, nennen Experten unter anderem Schlafstörungen, Energiemangel oder innere Unruhe.

Volkswirtschaft Laut der European Depression Association (EDA) verursacht jeder Depressionsschub im Schnitt den Ausfall von 36 Arbeitstagen. Viele Befragte klagten auch über mangelnde Unterstützung der Arbeitgeber. Die EDA betont, dass die Arbeitgeber gefragt seien, adäquate Arbeitssituationen zu schaffen.