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In Kindheit entnommener Eierstock verhalf Frau zu Baby

Ein in der Kindheit entnommener Eierstock machte für eine Belgierin eine Schwangerschaft möglich. Der Fall könnte zur Hoffnung für Mädchen und junge Frauen mit späterem Kinderwunsch werden, deren Eierstöcke durch medizinische Behandlungen wie etwa Chemotherapien in der Kindheit zerstört wurden. Mediziner vom Erasmus-Krankenhaus der Freien Universität in Brüssel pflanzten einer 25-jährigen Belgierin Gewebe ihres rechten Eierstocks wieder ein. Dieses war ihr im Alter von 13 Jahren vor einer Chemotherapie wegen einer Sichelzellenanämie entnommen worden – noch vor ihrer Menstruation.

Weiterentwicklung

Die Ovarien nahmen tatsächlich ihre Arbeit wieder auf, zwei Jahre später – im November 2014 – wurde die nun 27-Jährige auf natürlichem Weg Mutter eines Buben. Das Team rund um die Gynäkologin Isabelle Demeestere berichtete im Fachmagazin Human Reproduction von einem „wichtigen Durchbruch“. Auch international begrüßten Reproduktionsmediziner den Erfolg. Univ.-Prof. Martin Urdl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin: „Einen noch juvenilen Eierstock nach dem Auftauen zu regenerieren, ist eine sehr positive Weiterentwicklung. Das zeigt, wie wichtig diese Methode ist.“ Eine Krankheit im Kindesalter sei nicht mehr gleichbedeutend mit ungewollter Kinderlosigkeit.

Eierstock-Gewebe aufgrund einer onkologischen Behandlung für später einzufrieren, ist nicht neu. Weltweit wurden damit 35 Frauen schwanger. „Das Interessante ist, dass die belgische Patientin bei der Entnahme noch ein Kind war“, betont Univ.-Ass. Kazem Nouri, Leiter des Zentrums für In-Vitro-Fertilisation an der MedUni Wien. Das implantierte Gewebe nach Jahren zur Produktion von Follikeln anzuregen, eröffne neue Möglichkeiten.

Umstritten

Der Eingriff sei nicht unumstritten, räumte Medizinerin Demeestere ein. Etwa die Frage, ob die neue Methode nur bei hohem Risiko für das Versagen der Eierstöcke angewendet werden solle oder ebenso bei geringem. Adam Balen von der britischen Gesellschaft für Fertilität gibt zu bedenken, dass viele Kinder, die eine Chemotherapie bräuchten, sehr krank sind. „Die operative Entfernung der Eierstöcke ist kein kleines Unternehmen.“ Univ.-Prof. Klaus Mayerhofer, Leiter des Fertilitätsprogramms an der MedUni Wien, spricht auch ethische Aspekte an. Gewebeentnahmen sind unterschiedlich geregelt. „In skandinavischen Ländern ist das auch bei Kindern möglich. In Österreich erst ab 14 Jahren.“ Bei jüngerem Alter müsse man „von Fall zu Fall“ diskutieren, ergänzt Urdl.

Die Methode, Eierstockgewebe mittels sogenannter Kryopräservation einzufrieren, nennt sich im Fachjargon „Ovarian Tissue Banking“ (OTB). Angewendet wird sie in Österreich derzeit bei Indikationen wie onkologischen Therapien. Aber auch zunehmend bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, bei denen manche Medikamente die Eierstöcke schädigen können.

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Dass OTB wie bei der Belgierin auch bei noch nicht aktiven Eierstöcken (vor dem Einsetzen der Menstruation) möglich ist, liegt an der Beschaffenheit der weiblichen Eierstöcke. Die Anzahl der Eizellen einer Frau wird nämlich bereits vor der Geburt angelegt. „Daher hat sie auch schon als Kind diese Anzahl“, erklärt Kazem Nouri, IVF-Experte an der MedUni Wien.
In der Praxis wird das entnommene Eierstockgewebe aber nicht als Ganzes, sondern in kleine Teile zerlegt eingefroren. „Dadurch kann man sie auch einzeln wieder auftauen und einsetzen“, erklärt OTB-Experte Univ.-Prof. Klaus Mayerhofer, MedUni Wien. Das erhöhe später die Chancen für die betroffene Frau. In Belgien hatten die Mediziner vier Gewebeteile am verbliebenem Eierstock implantiert und elf weitere an anderen Stellen.

„Ziel in dieser Phase ist, dass das Gewebe anwächst und sich Blutgefäße entwickeln“, erklärt Mayerhofer. Frühestens nach drei Monaten sieht man am Hormonstatus der Frau, ob der Östrogenspiegel der Frau ansteigt. „Das ist das Zeichen, dass der Eierstock seine Arbeit wieder aufgenommen hat.“