Burn-out: Der schwierige Weg zurück
Wehleidig und schwach: So werden Menschen, die nach einem Burn-out an den Arbeitsplatz zurückkehren, von Kollegen oft wahrgenommen. Das macht Betroffenen Angst. Genauso wie Vorgesetzte, die fürchten, dass man bei geringster Belastung überfordert ist. Viel zu selten finde eine Burn-out-Nachsorge vonseiten des Arbeitgebers statt, sagte Univ.-Prof. Wolfgang Lalouschek vom Interdisziplinären Gesundheitszentrum the Tree im Rahmen des Lundbeck Presseforums Psychiatrie.
Die meisten Rehabilitationsangebote seien viel zu wenig berufsorientiert. "Gerade Führungskräfte haben die Verantwortung, Mitarbeitern Unterstützung anzubieten. Der Arbeitgeber kann wichtige Unterstützung für den Wiedereinstieg leisten, auch finanziell", sagte Lalouschek. Zusätzlich zu einer Therapie mit Ärzten, Psychotherapeuten und anderen Disziplinen sollen gemeinsam mit berufsorientierten Coachings berufliche Fragen bearbeitet werden – wie etwa das Verhalten der Führungskraft und den Kollegen gegenüber. Oder der Umgang mit Mehrfachbelastungen.
Schrittweise
Nach einem Burn-out brauche es die Möglichkeit, schrittweise zurückzukehren. "Ein Alles-oder-nichts-Prinzip, im Rahmen dessen nur danach gefragt wird, ob man nun arbeitsfähig ist oder nicht, ist für die Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht sinnvoll", meint Univ.-Prof. Michael Musalek, Ärztlicher Leiter des Anton Proksch Instituts.
Viel zu oft komme es zu einem unnötigen Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess. Seit 2009 sind etwa Frühpensionierungen mit der Diagnose Burn-out um 42 Prozent angestiegen. Musalek: "Ein Ausschließen aus dem Arbeitsmarkt sollte bei fortgeschrittenem Burn-out nur dann erfolgen, wenn alle Maßnahmen zur Behandlung und Reintegration ausgeschöpft wurden."
Vorzeigemodell
Ein Unternehmen, in dem der stufenweise Wiedereinstieg nach einem Burn-out unterstützt wird, ist die Erste Bank. "Alle Mitarbeiter, die 30 Tage oder länger in Krankenstand waren – egal, ob Burn-out oder eine andere Diagnose – , haben die Möglichkeit bei vollem Gehalt mit weniger Stunden zurückzukehren und auch bestimmte Tätigkeiten müssen noch nicht in vollem Ausmaß stattfinden", erzählt Eva Höltl, Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Bank. Bis zu drei Monate werden Betroffene so stufenweise wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert. Höltl nennt ein Beispiel: "Wenn jemand in einer Beschwerdestelle arbeitet, können am Anfang Kundenkontakte eher gering gehalten werden. Der Mitarbeiter kann dann selbst entscheiden, wie er sich einarbeiten möchte."
Derartige Modelle seien allerdings die Ausnahme, so die Experten. Wesentliche Quelle zur Verbesserung liegt zudem auch in Veränderungen des Lebensstils, einer Stärkung guter Beziehungen sowie adäquater Regeneration, z. B. Freizeitgestaltung. In den meisten Fällen ist Burn-out gut behandelbar.
Niedergeschlagen, erschöpft, ausgebrannt – 40 Prozent der Österreicher stehen kurz vor dem Burn-out wie Studien zeigen. Sie sind oft müde, fühlen sich hilflos, ziehen sich immer mehr zurück. Auf dem Weg in die Erschöpfungsdepression geraten Betroffene oft in eine Lage, aus der sie sich nicht mehr heraussehen. Die Vorarlberger Psychotherapeutin Claudia Wielander möchte diese Spirale unterbrechen. Mit dem Projekt „Despacio“ – spanisch für „langsam“ - bietet sie Burn-out-Vorsorge mit fachlicher Begleitung an. Teilnehmer verbringen zehn Tage in einem kleinen andalusischen Dorf an der Costa de la Luz und sollen in Coachings und in einer Gruppe Gleichgesinnter Ressourcen mobilisieren, um sich neu zu orientieren.
KURIER: Worum geht es bei Despacio?
Wie kann man sich den Aufenthalt vorstellen?
Der Tag hat eine Struktur, allerdings gibt es nicht für alle dasselbe fixe Programm. An Werktagen gibt es am Vormittag ein Gruppen-Coaching, bei dem man sich austauschen kann. Jeder hat in der Woche zwei einzelne Coaching-Stunden, die individuell ausgerichtet sind. Daneben gibt es Aktivitäten in der Natur, am Meer, im Dorf, in der Küche. Alles andere wird selbst kreiert und zwar so, dass man seinen Bedürfnissen und Wünschen folgt. Wenn jemand z.B. schon immer auf einem Surfbrett stehen wollte, sich aber nicht getraut hat, werden wir das organisieren. Es kann auch sein, dass jemand sagt, er möchte nur seine Ruhe haben und lesen. Am Abend gibt es kein Seminar, da kann man alleine sein oder in Gruppen – wie man möchte.
Wie viele sind an der Reise beteiligt?
Je nach Größe der Gruppe gibt es neben mir weitere Betreuungspersonen mit einer Fachausbildung im Bereich Burn-out, sowie einen Koch und die Hotelleitung. Das Programm ist ab fünf Teilnehmern konzipiert, maximal können zwölf teilnehmen, da wir in einem kleinen Familienbetrieb wohnen.
Ist es eine gute Idee, wenn Menschen, die total erschöpft sind, eine Reise unternehmen?
Jemand, der bereits ein Burnout hat, wird es nicht mehr schaffen, einen Flug zu buchen. Vielmehr braucht er stationäre oder engmaschige ambulante Behandlung durch Fachärzte und Psychotherapeuten. Im Burn-out gibt es aber verschiedene Stufen bis zu dem Moment, wo jemand seelisch zusammengebrochen ist. Ich sehe täglich Menschen, die noch gut aufzufangen wären, damit sie nicht in einen behandlungsbedürftigen Erschöpfungszustand geraten. Die möchte ich erreichen.
Kann man selbst überhaupt feststellen, dass man auf dem Weg in ein Burnout ist?
Oft sind es einzelne Dinge, die man wahrnimmt, aber dabei nicht erkennt, dass sie ein gemeinsames Phänomen darstellen. Etwa Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, mangelnde Frustrationsfähigkeit, häufige Fehler, Ängstlichkeit, erhöhter Alkohol- und Kaffeekonsum, sexuelle Probleme. Meist stehen die eigenen Werte im Weg. Man sagt sich „Das geht schon noch“ oder „Die anderen brauchen mich“. Man versucht Energiereserven zu mobilisieren, bis sie irgendwann ganz leer sind. Ein drohendes Burn-out wird meist eher im Umfeld erkannt, von Freunden, vom Chef, von früher selbst Betroffenen oder von Ärzten und Psychotherapeuten.
Gibt es Situationen, in denen Sie davon abraten würden, an Ihrem Projekt teilzunehmen?
Ich plädiere an die Eigenverantwortlichkeit der Teilnehmer. Ich weise aber in jedem Fall darauf hin, dass die Reise mit dem behandelnden Arzt oder Therapeuten abgesprochen werden muss. Wenn jemand in einem Zustand kommt, wo er stationär aufgenommen werden müsste, ist es nicht möglich, teilzunehmen. Vor Ort kann ich allerdings durch meine Ausbildung sehr wohl darauf reagieren, wenn sich jemand an dieser Grenze bewegt.
Dürfen Begleitpersonen mitreisen?
Die Reise steht für einen Veränderungsprozess. Da ist es gut, wenn jeder auf sich alleine gestellt ist – keine Familienmitglieder, keine Ehepartner, keine Eltern-Kind-Konstellationen. In einem fremden Land, wo ich die Sprache vielleicht nicht spreche und einiges erlebt wird, das man noch nicht kennt, kann eine Irritation stattfinden, die Veränderung begünstigt. Wenn ich mich dabei an jemanden Vertrauten klammern kann, verhindert das dies.
Was passiert nach der Reise – nach zehn Tagen ist man ja nicht „geheilt“. Besteht die Gefahr, dass für die Teilnehmer zuhause alles wieder beim Alten ist?
Es geht während der Zeit in Spanien auch darum, zu schauen, welche Ressourcen der Einzelne hat. Das ist für jeden etwas Anderes. Worauf muss er oder sie ganz besonders achten. Es kann sein, dass man eine gewisse Zeit aufhört zu arbeiten oder ein Hobby wieder aktualisiert. Das erarbeiten wir während der Coachings. Geplant sind auch kürzere Follow-ups im Nachhinein, etwa eine Woche in Seminarform. Die Follow-ups sind wie eine Gesundheitsvorsorge, wenn jemand merkt, er verliert sich wieder, bieten wir kreatives Tun mit Achtsamkeitstraining an, das genau das verhindert.
Mehr Infos: www.despacio.at