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Antibiotika: Jede dritte Verschreibung nicht korrekt

Jede dritte Verschreibung eines Antibiotikums ist laut einer US-Studie „nicht als korrekt oder passend einzustufen“. Das sagte Sonntagnachmittag die Pharmazeutin Ulrike Porsche, Leiterin der Abteilung für Klinische Pharmazie und Arzneimittelinformation, bei der Wissenschaftlichen Fortbildungswoche der Österreichischen Apothekerkammer zum Thema „Infektionskrankheiten, Antibiotika und Antibiotikaresistenzen" in Schladming. „Auch bei uns im eigenen Haus (den Salzburger Landeskliniken) hat vor drei Jahren eine Untersuchung gezeigt, dass die Verschreibung zu einem Drittel nicht den Anforderungen entspricht. Und da geht es nicht nur um die Substanzwahl, sondern auch um die Therapiedauer, die Dosierung und die Applikationsart.“

Doppelt so viele Dosen wie in Dänemark

„Wir geben in Österreich 20 Antibiotikadosen pro 1000 Patienten pro Tag“, sagte Christoph Wenisch, Leiter der 4. Medizinischen Abteilung mit Infektions- und Tropenmedizin im Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien. „Die Dänen – die übrigens auch ein höheres Maß an Wohlbefinden haben - und auch die Holländer geben zehn Dosen pro 1000 Patienten pro Tag – sie haben aber die gleiche Lebenserwartung wie wir.“

71,6 Tonnen Antibiotika (reine Wirksubstanz) wurden 2016 in der Humanmedizin in Österreich verbraucht, davon ein Drittel im stationären und zwei Drittel im niedergelassenen Bereich. 2010 lag der Antibiotika-Verbrauch bei 69,2 Tonnen – der Anstieg geht laut einem Bericht im Auftrag des Gesundheitsministeriums vor allem auf den stationären Bereich zurück. Ein Grund könnte hier die Zunahme komplexer, intensivmedizinischer Eingriffe sein.

Motto "Nutzt es nichts, schadet es nichts"

Wenisch sieht die Probleme vor allem im niedergelassenen Bereich: „Irgendein Doktor schreibt irgendetwas auf.“ Antibiotika würden teilweise nach dem Motto ‚Nutzt es nichts, schadet es nichts´ gegeben, oder „weil man ganz einfach die Geduld verliert, den Verlauf einer Infektionskrankheit abzuwarten“.

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So werden in der Grippe-Saison – wo virale Infektionen häufiger sind, gegen die Antibiotika aber nicht helfen – auch Antibiotika häufiger gegeben, sagte Wenisch: „Der Österreicher muss aufgrund von Virusinfektionen mehr Antibiotika schlucken als es die Holländer und die Dänen machen. Das ist ein Riesenproblem.“

Beim Antibiotika-Einsatz - etwa bei Lungenentzündungen - "hieß es früher, ,je länger desto besser, heute aber ,je kürzer, desto besser´".

Verschreibungsdruck auf Ärzte

Laut einer WHO-Studie sind sogar bis zu 50 Prozent der Antibiotikaverschreibungen weltweit nicht korrekt - "aber das hat viele Gründe", so die Fachärztin für Infektiologie und Tropenmedizin, Brigitte Meyer: "Nicht alle Infektionen rufen typische Symptome hervor, und die Diagnostik ist oft sehr schwierig." Gleichzeitig gebe es aber auch nach wie vor einen Verschreibungsdruck auf Ärzte ("mir geht es so schlecht"). Es werde aber in Österreich bereits viel getan, um die Verwendung von Antibiotika zu optimieren und die Diagnostik zu verbessern: "Es gibt zahlreiche lokale Initiativen, die aber noch mehr koordiniert werden müssen." „Eines der Heilmittel ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit“, betonte auch Pharmazeutin Porsche. "Die Kommunikation zwischen Ärzten und Apothekern muss intensiviert werden."

Mehr Resistenzen, wenig neue Substanzen

„Die Antibiotika-Resistenzen gehen im Krankenhaus und im niedergelassenen Bereich nach oben“, so Porsche. Viel weniger bekannt sei, dass sich die Industrie „großteils aus der Infektiologieforschung verabschiedet hat“, so Porsche: „Die großen Firmen machen alle keine Antibiotika mehr.“ Ein Grund dafür, so Porsche unter Bezug auf eine internationale Studie: „Low return on investment – das heißt, man verdient nichts mit antiinfektiver Forschung.“

Deshalb gebe es auch wenig neue Substanzen: „Die letzten Entwicklungen betreffen die multiresistente Tuberkulose, da gibt es ein paar neue Substanzgruppen.“ Diese seien vor 13 Jahren auf den Markt gekommen: „Und sonst ist eigentlich nichts Neues entstanden.“ Allerdings gebe es jetzt unter anderem durch einen speziellen EU-Aktionsplan zur Förderung der Entwicklung von neuen Antibiotika gegen multiresistente Bakterien "Hoffnung auf neue Substanze in den nächsten Jahren“. Zwei Präparate seien derzeit in einem Zulassungsverfahren.

Noch die Insel der Seligen

Trotz aller Probleme sei Österreich „aber noch immer die Insel der Seligen in Bezug auf die Resistenzen – aber es gibt sie“, sagte der Infektionsspezialist Rainer Gattringer vom Ordensklinikum Linz/Elisabethinen und des Nationalen Referenzzentrums für Antibiotikaresistenz. Sehr viele hochresistente Erreger gebe es in China, in Nordamerika („ein heißer Tipps für hochresistente Erreger“), Südamerika und in Europa Italien und Griechenland. „Bei einem Griechenland-Urlauber, der dort einen Autounfall gehabt hat und im Spital war,, können Sie ziemlich sicher sein, dass der mit resistenten Erregern zurückkommt.“ Ähnlich Meyer: "Im Sommer sind die Freizeitunfälle aus Südeuropa ein massives Problem, wo polytraumatisierte Patienten mit multiresistenten Keimen zu uns kommen."

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Eine Region mit vielen hochresisteten Erregernachweisen ist auch Indien. Gattringer: "Viele Menschen auf engem Raum, schlechte hygienische Verhältnisse, Antibiotika oft massenhaft verteilt, nicht ordentlich genommen, zu niedrig dosiert – das sind die Bausteine, die die Antibiotika-Resistenz hochtreiben." Wenn Rucksacktouristen von Indien zurückkommen, "ist ein Großteil von ihnen im Darm mit resistenten Erregern besiedelt. Die verlieren sie aber mit der Zeit wieder“. Das Gefährliche: Diese Erreger können eine wichtige Klasse an Reserveantibiotika, die Carbapeneme, mit Hilfe eines speziellen Enzyms unwirksam machen. 2016 wurden in Österreich 160 derart hochresistente Bakterienproben nachgewiesen. Solche Patienten müssten dann mit einer Kombination sehr alter und neuer Präparate behandelt werden.

"Nicht nur Import"

"Es gibt die hochresistenten Erreger aber auch in Österreich – das ist nicht nur Import", sagte Gattringer: "Aber wir sind weit weg von einer Lage mit Ausbrücken wie in Italien oder Griechenland.“ Derzeit sei die Situation stabil. „Es muss aber weiter an der Überwachung gearbeitet werden. Derzeit gibt es keine Meldepflicht in Österreich für hochresistente Erreger so wie in Deutschland. Deshalb haben wir in der Epidemiologie einige Lücken drinnen.“ Derzeit fehle noch ein valider Überblick über den Antibiotikaverbrauch in den Krankenanstalten, betonte auch Meyer.

Bis zum Jahr 2050 könnte es - ohne Gegenmaßnahmen - alleine in Europa jährlich 390.000 Todesfälle als Folge von nicht mehr behandelbaren Infektionen mit resistenten Keimen geben, so eine Studie.

Bald mehr Spitalsinfektionen?

Trotz hoher Standards in Technik und Medizin rechnet man in industrialisierten Ländern mit vier bis zehn Spitalsinfektionen in pro hundert stationärer Aufnahmen, sagte Meyer. Aufgrund der zunehmenden Zahl an Resistenzen "scheint es ein zunehmendes Problem zu sein, deutlich zunehmend". Deshalb sei es wichtig, jetzt Umsetzungskonzepte zu entwickeln, um die antimikrobielle Therapie in Krankenhäusern und im niedergelassenen Bereich zu verbessern, so Meyer.

Schon jetzt gebe es "Luft nach oben" in der Verhinderung von Spitalsinfektionen in Österreich, zitierte Meyer aus einer Studie: So zeigte die westeuropäische EPIC-Studie mit 10.000 Patienten von Intensivstationen: In der Schweiz infizieren sich 9,7 Prozent der Intensivpatienten mit einem Spitalskeim, in Deutschland sind es 17,3 Prozent und in Österreich 20,0 Prozent. Der westeuropäische Gesamtschnitt in dieser Studie lag bei 20,6 Prozent.

Händehygiene der beste Schutz

Gattringer: „Wenn die alkoholische Händedesinfektion jeder bei uns im Spital richtig und konsequent machen würde, dann müssten wir teilweise gar nicht diese erweiterten Hygienemaßnahmen machen, weil die Hände das Hauptvehikel für die Übertragung gerade auch hochresistenter Erreger sind. Der beste Schutz gegen die Übertragung von krankenhausrelevanten Erregern ist die Händehygiene.“

Rückgang in der Landwirtschaft

Positiv ist die Entwicklung laut Meyer in der Landwirtschaft: "Zwischen 2011 und 2014 ging die Menge der in der Geflügelhaltung verwendeten Antibiotika um 44 Prozent zurück."