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Alzheimer: Was Angehörige wissen wollen

Demenzerkrankungen "sind ein Zukunftsthema ganz besonders für die kommenden 20, 30 Jahre", sagte der Psychiater Prim. Georg Psota, Chefarzt des Psychosozialen Dienstes Wien, beim Gesundheitstalk "Alzheimer & Demenz: Von der Prävention bis zur Therapie" von KURIER, MedUni Wien und Novartis.

"Warum? Weil die Generation der ,Babyboomer‘ zur Generation der ,Gerontoboomer‘ wird. In Relation dazu hält sich das öffentliche Bewusstsein allerdings in Grenzen." Lesen Sie hier die wichtigsten Fragen von Angehörigen - und die Antworten der Expertinnen und Experten beim Gesundheitstalk.

Ein Video der gesamten Veranstaltung (Dauer: eineinhalb Stunde) finden Sie am Ende dieses Textes.

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Nach vielen Rückschlägen: Welche Hoffnung gibt es auf neue Medikamente?

"Ja, es sind viele Therapiestudien sehr frustrierend verlaufen", sagt die Neurologin Prof. Elisabeth Stögmann, Demenz-Spezialistin der MedUni Wien/AKH Wien: "Aber ich bin eine Optimistin. Ich denke, dass sich in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren etwas tun wird." So laufe noch eine große Studie mit einem Antikörper gegen schädigende Ablagerungen des Eiweißes Amyloid-beta: "Die Ergebnisse werden wir in zwei bis drei Jahren wissen." Es gebe auch Studien mit anderen Angriffspunkten. – "Wir können aber auch heute auf vielen Ebenen die Patienten unterstützen", so Psota.

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Gibt es schon einen Bluttest zur Früherkennung?

"Japanische Forscher arbeiten an einem Test, der Amyloid-beta im Blut nachweisen kann, aber für die Routine ist er noch nicht etabliert", erklärt Stögmann. "Eine Blutabnahme machen und dann zu wissen, ob jemand Alzheimer hat – das gibt es noch nicht."

Manche Labors bieten einen Test auf eine ganz spezielle Genvariante – ApoE4 – an. Wie aussagekräftig ist er?

Menschen, die Träger einer oder zweier Gen-Variante für das Eiweiß Apolipoprotein E4 sind (ca. 15 % der Bevölkerung in Europa) haben ein erhöhtes Alzheimerrisiko. Es ist der wichtigste genetische Risikofaktor. "Aber eine Testung wird nicht empfohlen", betont Stögmann. Psota: "Der Test liefert keine Diagnose, sondern nur eine Aussage zum Risiko. Ich kenne Patienten, die jene Form dieses Eiweißes produzieren, die ein Schutzfaktor ist und trotzdem erkrankt sind. Und ich kenne Patienten mit dem Risikofaktor ApoE4, die keine Alzheimerdemenz haben." Es gebe einzelne Fälle, Familien mit einer Häufung sehr früher Alzheimer-Erkrankungen, wo der Test – in Kombination mit einer genetischen Beratung – durchgeführt werde. "Aber das so bei jedem ohne Beratung zu machen, das ist Geschäftemacherei. Sie müssen den Test privat zahlen, aber sie zahlen für ihre Angst."

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Kann Schachspielen einer Demenz vorbeugen?

"Solche Formen der geistigen Anstrengung und Aktivierung – dazu zählen etwa auch Zweisprachigkeit oder das Spielen eines Musikinstruments – sind ein guter Schutz – zwar nicht hundertprozentig, aber man hat eine bessere Ausgangssituation", erläutert Stögmann. Ähnlich Psota: "Es gibt Studien, die zeigen, dass unter intensiven Schachspielern die Häufigkeit von Demenzen geringer ist." Er habe selbst einmal zwei Bewerbsspieler als Patienten gehabt: "Sie haben mir gesagt, die ersten Anzeichen für Gedächtnisprobleme waren für sie, dass sie nicht mehr sieben, sondern nur mehr fünf Züge vorausdenken konnten."

Was mache ich wenn ich Symptome bei meinem Angehörigen merke, dieser aber nicht zum Arzt zu gehen will?

"Ein Rat ist zu sagen, ,gehen wir gemeinsam und lassen wir uns gemeinsam untersuchen‘", sagt Antonia Croy, Präsidentin des Selbsthilfevereins "Alzheimer Austria". "Oder der Hausarzt kann es bei einem Arztbesuch wegen einer anderen Krankheit ansprechen. Oder ein Apotheker zum Beispiel." Es helfe oft, wenn der Anstoß für eine Untersuchung von jemand Außenstehendem komme und nicht von einer nahen Bezugsperson. Croy: "Es ist oft sehr schwierig. Und manchmal gelingt es auch nicht."

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Wie kann ich meinen Mann dazu bringen, nicht mehr mit dem Auto zu fahren und von der Bank Geld abzuheben?

"Das ist ein großes Thema", sagt Antonia Croy. "Man kann versuchen, das Auto fahruntüchtig zu machen." Um als Angehöriger nicht selbst "der Böse" zu sein, könne man etwa den Hausarzt bitten, dem Betroffenen zu vermitteln, dass er nicht mehr Autofahren dürfe. "Oder man geht zu einem Therapeuten, einem Psychologen, und versucht es dort zu besprechen." Wichtig sei dabei, das Bedürfnis dahinter zu erkennen: "Das Bedürfnis selbstständig zu bleiben, oder das Geld angreifen zu können, weil sich der Betroffene nicht vorstellen kann, dass es auf der Bank liegt." Manchmal gelinge es mit anderen Beschäftigungen den Betroffenen abzulenken. "Aber ich weiß, das reicht nicht immer aus."

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Welche Medikamente können schaden?

Medikamente, die die Übertragung von Acetylcholin – "den Treibstoff des Erinnerns" (Psota) – bremsen oder dieses sogar schädigen. "Ärzte sollten immer überprüfen, was an zusätzlichen Medikamenten (neben der Alzheimertherapie, Anm.) ist wirklich notwendig, was ist schlecht – und was ist unnötig. Ich schaue immer, ob es etwas zum Absetzen gibt", so Stögmann. Bestimmte Magenschutzpräparate zählen hier zu problematischen Mitteln, ebenso wie Benzodiazepine (Beruhigungsmittel), andere Schlafmittel und auch bestimmte Schmerzmittel. All diese Präparate können zur Verwirrtheit und Desorientierung beitragen. "Man muss das sehr individuell abstimmen."

Sehen Sie hier das Video vom Gesundheitstalk "Alzheimer & Demenz":

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Vorschau:

Der nächste Gesundheitstalk von KURIER, MedUni Wien und Novartis findet am 25.4.,18.30 Uhr zum Thema "Lungenkrebs" statt.

Veranstaltungsort: Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien, Van-Swieten-Gasse 1a (Ecke Währinger Straße), 1090 Wien.