Zetsche will nicht mehr Daimler-Aufsichtsratschef werden
Dieter Zetsche will nach heftiger Kritik von Investoren nicht mehr Aufsichtsratschef beim deutschen Autobauer Daimler werden. "Natürlich hätte ich diese Aufgabe gerne gemacht. Ich glaube auch, dass ich sie gut gemacht hätte. Aber in letzter Konsequenz habe ich mich entschieden, dass ich das nicht will, dass ich darauf verzichte", sagte der langjährige Vorstandschef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Den Aufsichtsratschef Manfred Bischoff habe er schon informiert.
Als Favorit für den Posten, der mit Bischoffs Abschied im Frühjahr 2021 frei wird, wird nun in Investoren- und Arbeitnehmerkreisen der scheidende Siemens-Chef Joe Kaeser gehandelt.
Der 67-Jährige Zetsche hätte zwei Jahre nach seinem Abschied von der Konzernspitze im Frühjahr 2021 nach der vorgeschriebenen Abkühlphase Vorsitzender des Aufsichtsrats werden sollen. Viele Investoren machen ihn aber für Fehlentscheidungen verantwortlich, die seinen Nachfolger Ola Källenius zu mehreren Gewinnwarnungen veranlasst und dem Stuttgarter Konzern Milliardenverluste eingebrockt haben. In Zetsches Zeit als Chef von Mercedes fielen auch Diesel-Manipulationen, deretwegen Daimler vor kurzem einen 2,2 Milliarden Dollar (1,89 Milliarden Euro) teuren Vergleich schloss. Offen hatte sich der US-Investor Harris Associates, der knapp fünf Prozent an Daimler hält, gegen Zetsche ausgesprochen. Die Gewinnwarnungen zeigten, wie schlecht der Konzern gemanagt worden sei, sagte Harris-Vize David Herro dem Manager Magazin im Frühjahr.
"Dass ich jetzt nach 40 Jahren Berufsleben von manchen nicht als Hoffnungsträger, sondern als Belastung angesehen würde – nein, das brauche ich nicht", sagte Zetsche der Sonntagszeitung. Er müsse sich nichts mehr beweisen und täte mit einem Festhalten an der Kandidatur auch dem Unternehmen keinen Gefallen. Zwar glaube er nicht, dass er auf der Hauptversammlung durchgefallen wäre, weil die Großinvestoren hinter ihm stünden. "In der Sache hätte das auch funktioniert, aber die Begleitumstände wären unschön gewesen." Eine Kampfabstimmung hätte Daimler mit seinen 300.000 Mitarbeitern "zumindest für eine gewisse Zeit belastet". Zetsche ist auch Aufsichtsratschef beim angeschlagenen Touristik-Konzern TUI.
Kein Neuland für Kaeser
Kaeser sitzt seit 2014 im Daimler-Aufsichtsrat. Er tritt im Februar 2021 als Vorstandschef der Siemens AG ab und wäre damit frei für die neue Aufgabe. Der Posten als Aufsichtsratschef bei der abgespaltenen Siemens Energy wäre dabei nicht hinderlich. Der 63-jährige Niederbayer ist als Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA) auch in China gut vernetzt, woher zwei der drei wichtigsten Daimler-Aktionäre stammen.
Ein Daimler-Sprecher sagte nur: "Wir nehmen die Entscheidung von Dr. Zetsche mit großem Respekt zur Kenntnis." Wer nun Chef des Gremiums werden solle, müsse der Aufsichtsrat entscheiden. Dieser trifft sich am Mittwoch und Donnerstag ohnehin zu seiner großen Strategiesitzung. Der 78-jährige Bischoff kann aus Altersgründen nicht mehr antreten.