Wirtschaft

Wirtschaft in gefährlichem Fahrwasser

Von vorweihnachtlichen Gaben kann keine Rede sein, eher vom Gegenteil. Die Experten vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und Institut für Höhere Studien (IHS) reduzierten in ihrer jüngsten Prognose die Wachstumsaussichten für die heimische Wirtschaft drastisch. Im September waren sie von einem ohnehin schon kleinen Plus von 0,8 Prozent im laufenden Jahr ausgegangen. Jetzt setzen sie das Plus gerade einmal bei 0,4 Prozent an. Von einem spürbaren Aufschwung wird auch nichts zu spüren sein. Laut WIFO wird es 2015 ein Wachstum von 0,5 Prozent, laut IHS eines von 0,8 Prozent geben.

WIFO-Chef Karl Aiginger führt verschiedene Gründe an, warum die Konjunkturprognose derart nach unten gedrückt wurde: Die Delle in der Weltwirtschaft, die geopolitischen Krisen, eine Europäische Union, die nahezu ein Jahr lang praktisch ohne Führung war. Vor allem aber gibt er der heimischen Politik die Schuld: Der ehemalige Musterschüler Österreich bezahle „die Reformmüdigkeit mit einem doppelten Malus“.

Abgerutscht

Malus Nr. 1: Seit der Jahrtausendwende schaffte Österreich in elf von 14 Jahren ein höheres Wachstum als der Durchschnitt der Eurozone. Damit ist es vorbei. Österreich hinkt hinterher und kämpft mit Problemen – von den hohen Abgaben bis zum noch immer nicht reformierten Bildungssektor.

Malus Nr. 2: Die Teuerungsrate ist mittlerweile die höchste in der ganzen EU. Damit gehen die Nettolöhne real, also abzüglich der Inflation, weiter zurück. „Die Inflation ist Ärgernis und Konsumbremse Nummer eins“, rügt Aiginger. Er fordert Wettbewerbsbehörde und Konsumentenschutz auf, dem Problem Inflation mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Zum Teil sei diese aber auch hausgemacht, sagt IHS-Chef Christian Keuschnigg. Die heimische Teuerungsrate liegt um etwa einen Prozentpunkt über dem Durchschnitt der Eurozone. 0,2 Prozentpunkte davon seien auf Steuern zurückzuführen – von der Normverbrauchsabgabe bis zu höheren Schaumwein- und Tabaksteuern.

„Österreichs Wachstumsvorsprung scheint, zumindest vorerst, verloren zu sein“, so Keuschnigg. Eine Rückkehr zu höherem Tempo sei möglich, dafür brauche es allerdings Reformen.

Steuerreform

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Allen voran müsse eine Steuerreform her, die die kalte Progression seit dem Jahr 2008 ausgleicht – in Summe rund fünf Milliarden Euro. Das wäre relativ rasch und aufkommensneutral zu machen, so Keuschnigg. Man müsse nur die Ausnahmen bei Mehrwert- und Einkommensteuer streichen. Keuschnigg: „Allgemeine Erbschafts- und Vermögenssteuern braucht es gar nicht.“ Dem WIFO-Mann ist es wichtig, dass die Steuerreform strategisch ist, also auch Umwelt und Gesundheitssystem berücksichtigt.

Eine der negativen Auswirkungen der heimischen Konjunkturschwäche: Die Arbeitslosigkeit wird bis 2016 auf 9,3 Prozent steigen (siehe Grafik).